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José Sánchez de Murillo

Verfasst: Di 15. Sep 2009, 22:58
von Gast5
José Sánchez de Murillo ist einer der bedeutensten spanischen Philosophen der Gegenwart.
Er bezeichnet seinen Ansatz als Tiefenphänomenologie und seine Biografie ist sehr interessant.

Ich erfuhr von ihm über die deutsche Schriftstellerin Luise Rinser, die ich gut kannte und bis zu ihrem Tode mit ihr in einem Schriftwechsel war.
Im Januar 1995 besuchte José Sánchez de Murillo die Luise Rinser (1911–2002) in Rocca di Papa. Aus dieser Begegnung entstand eine enge Freundschaft, die für beide menschlich und literarisch wichtig wurde. Sie war für die Entwicklung der dichterischen Dimension der Tiefenphänomenologie von grundlegender Bedeutung. Luise Rinser veranlasste die philosophisch-meditative Schrift „Jakob Böhme. Das Fünklein Mensch“ (1997) und das Epos „Dein Name ist Liebe“ (1998), das sie mit einem Vorwort versah. Ebenso regte sie das noch unabgeschlossene Epos „Gotteshervorgang“ (1998) an.
Luise Rinser berichtete mir über ihre Begegnungen mit José Sánchez de Murillo in Ronda und dabei wurde mir bewusst, dass das eine tiefe platonische Liebe war, welche beide geistig intensiv befruchtete.

Mehr über ihn unter http://de.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_ ... de_Murillo

Re: José Sánchez de Murillo

Verfasst: Mi 16. Sep 2009, 10:22
von Gast5
Wie von Christoph Rinser (Sohn) heute erfahren, schreibt José Sánchez de Murillo derzeit an einer Biographie über Luise Rinser, in ständigem engen Kontakt mit Christoph Rinser, welcher seit acht Jahren in Spanien lebt.
Diese Biographie soll nächstes Jahr erscheinen.

Re: José Sánchez de Murillo

Verfasst: Mi 16. Sep 2009, 11:09
von Gast5
Da hier möglicherweise einige Luise Rinser noch nicht kennen, sie war eine der wichtigsten und "streitbaren" deutschen Schriftstellerinnen, hier noch ein paar Infos:

http://de.wikipedia.org/wiki/Luise_Rinser

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Kleiner Ausschnitt aus „Kunst des Schattenspiels, 1994-1997“ von Luise Rinser, ISBN 3-10-066052-8

Mein Münchner Ostersonntag. Alle Freunde sind auf dem Land, das Wetter ist strahlend frühlingshaft nach all dem Regen. Ich bin allein. Plötzlich überfällt mich das Verlangen mich ins „bunte Gewimmel“ zu werfen. Also in die Stadt. Was will ich dort? nichts als „dabei sein“. Nicht allein sein. In der Unterführung der S-Bahn spielen zwei junge Arbeitslose mit einem Hund. „was sollen wir sonst tun“ sagt der eine, und der andere sagt: „Wohin sollen wir gehen? Wir haben keine Unterkunft. Wir schlafen nachts hier.“ Er zeigt auf Schlafsack und Kleiderbündel. Ich schenke ihnen Geld für den Hund, ein schönes, aber mageres Tier, und rede eine Weile mit ihnen. Ich erinnere mich, wie ich in Paris zum erstenmal mit Entsetzen und romantischem Mitleid die Clochards unter den Seine-Brücken sah. Das war vor vierzig Jahren. Wie viele Obdachlose sah ich seither: in New-York, in Delhi, in Rom, in Bangkok, in Jakarta ... Ich will mich nicht traurig machen am Ostersonntag. Ich gehe weiter. Ich sehe in der Kaufingerstraße eine Gruppe Bolivianer, sie singen und tanzen, und mir kommt lebhaft die Erinnerung an meine Südamerika-Reise und meine Begegnung mit den Indios in den Anden, auf 4000 Meter Höhe; dort waren es Minenarbeiter in den einstigen Silber-Bergwerken. Wo ist das Silber? In Spanien. Und in den Häusern der Reichen in La Paz. Ich sah es. Und ich sehe die hundert und aberhundert Indios auf dem Friedhof da oben auf dem Altoplano, da liegen die Bergleute, und kaum einer ist älter als fünfunddreißig geworden.
Ich gehe weiter auf der Neuhauser Straße. Ich höre Musik, klassische, ein Magnet für mich, unwiderstehlich. Bach. Eins der Violin-Konzerte, umgeschrieben für Violine, Bratsche und ein tragbares kleines Cembalo. Der Platz unter den Bögen des Kafhauses hat eine gute Akustik. Die drei Instrumente klingen wie ein Orchester. Vor den Dreien ein andächtiges Publikum, zufällig hier vorbeikommend, gebannt wie ich. Stille. Die Straße wird zum sakralen Raum. Die Szene ist zum Weinen und Beten schön. Die Zuhörer gehen leise weg, ungern, man sieht es. Viele bleiben. Auch ich bleibe, bis die Musiker ihr Spiel beenden. Wer sind sie? Ich sehe im aufgeschlagenen Deckel des Violinkastens einen Zettel: „Drei Musiker aus Sibirien.“ Ich wage näherzukommen. Einer spricht Englisch. Woher kommen sie? Aus Omsk? (Das ist DIE Kunst-Stadt Sibiriens, sie hat drei Opernhäuser.) Nein, sie sind aus Novo-Sibirsk. Ich sage, daß ich schon dort war auf einem Flug Korea-Moskau. Es ergibt sich ein fragmentarisches Gespräch. Sie wundern sich weniger darüber, daß ich in Novo-Sibirsk war (wer kommt schon dorthin), als darüber, daß ich ihnen Fragen stelle, welche ihre Technik, Bach zu spielen, betreffen. Ob ich Musikerin sei? Nein, aber ich verstehe einiges von Musik (habe Geige gelernt) und außerdem sei ich die Frau eines Musikers gewesen, er hieß Carl Orff. Ein Freudenschrei: „Carmina Burana!“ Man kennt ihn wirklich in aller Welt. Wo überall habe ich seinen Namen und sogar seine Musik gehört: zwischen Kalifornien und Japan, und sogar in Südchina, wo man in Setchuan eine Orff-Musikschule eröffnete, als ich dort war. Lieber C.O. - und einmal wollte man dich in München aus der Musikhochschule werfen, und die deutschen Kritiker beurteilten dich als Exzentriker, als Erotomonanen und als “nicht aufführbar“ .... und jetzt liegst du eingemauert in Andechs. Was für eine Musik hörst du jetzt?
Ich gehe weiter, zum Marienplatz. Was für eine Menge ..............................


- Warum dieser Ausschnitt? Muß einfach dazusagen, daß mich diese Geschichte selber stark angesprochen hat und hier fühle ich voll mit Luise Rinser, die für mich keine Fremde ist. Wir sind uns mehrfach begegnet, hatten zeitweise einen Schriftwechsel und sie gehört mit zu meiner Lebensbiografie. Eine große „deutsche Schriftstellerin“, die weltweit bekannt wurde und neunzigjährig die Essenz ihres sprachlichen Lebens in solchen Geschichten niederschrieb. 1994 reiste sie nach Dharamsala, auf Einladung des Dalai Lama, der eine Woche lang sich täglich zu Gesprächen mit ihr traf. Auch diese Begegnung ist in diesem Buch beschrieben.
Auf der Cover-Rückseite folgendes Zitat:

„Kann ich sagen mein Leben sei Leiden gewesen? Nein, nein. Es war schwer, aber es war reich, und es gab Glückszeiten. Es gab? Es gibt.“