Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

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Oliva B.
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Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Oliva B. »

Ultramarinos 3 DSC_0300.JPG
La "tienda de ultramarinos” in Spanien entspricht dem deutschen „Kolonialwarenladen“ (die Waren stammten früher aus den Kolonien). Wörtlich übersetzt heißt "ultramarino" „überseeisch“, denn aus den ehemaligen Kolonien wurden früher Artikel wie Zucker, Kaffee, Tabak, Reis, Kakao, Gewürze und Tee importiert.
Auslagen vor dem Geschäft
Auslagen vor dem Geschäft
In diesen kleinen Läden werden heute noch ausschließlich Lebensmittel verkauft, die Frischsachen liegen offen (a granel) hinter der Ladentheke und werden nach Wunsch des Kunden abgeschnitten und gewogen.
Hier kann man Obst und Gemüse auch stückweise kaufen.
Hier kann man Obst und Gemüse auch stückweise kaufen.
Die Auswahl dieser Tante-Emma-Läden (span. colmados, mex. abarrotes) ist sehr begrenzt.
Ultramarinos7.jpg
Ultramarinos8.jpg
Ultramarinos9.jpg
Es gibt Eier, Milche, Brot, Wurst, Käse, Schinken, Fleisch, auch offenen Wein, Konserven und frisches Obst und Gemüse.
Sorgfältig aufgestapelte Dosen - das Etikett muss nach vorne zeigen.
Sorgfältig aufgestapelte Dosen - das Etikett muss nach vorne zeigen.
Zu diesen Ultramarinos gehören eine Waage, oft noch mit Gewichten oder Laufgewichten, ein Beil, um z.B. den gesalzenen Stockfisch (bacalao en salazón) zu zerteilen, Kaffeemühlen, in denen die Kaffeebohnen frisch gemahlen werden, Messbecher für Öl, und oft steht auch noch eine Glaskaraffe (porrón) auf der Ladentheke, woraus man den offenen Wein probieren kann.
Auf der Theke steht der Porrón.
Auf der Theke steht der Porrón.
Traditionell besteht die Ladentheke, vor der sich die Kunden anstellen, eigentlich aus weißem Marmor.
Es geht der Reihe nach und unweigerlich kommt die Frage der Verkäuferin (meistens ist es eine Frau): „Wer ist die/der Nächste?“- ¿Quién es el último-a?
Es geht der Reihe nach und unweigerlich kommt die Frage der Verkäuferin (meistens ist es eine Frau): „Wer ist die/der Nächste?“- ¿Quién es el último-a?
Ultramarinos5.JPG
Die Spanier warten ohne ungeduldig zu werden - ganz im Gegensatz zu den Ausländern, die nie genügend Zeit mitbringen, und bestellen dann in aller Ruhe ein paar Scheibchen Wurst, ein Stückchen Käse, lassen sich das Fleisch zeigen, probieren dabei das eine oder andere Stückchen und halten dabei ein Schwätzchen mit der Verkäuferin, ohne dass einer der nachfolgenden Kunden abfällige Bemerkungen über die Trödelei macht
.
Geduldig stellt man sich hinten an, bis man an der Reihe ist. Kunstvoll drappierte Schaufenster sind typisch.
Geduldig stellt man sich hinten an, bis man an der Reihe ist. Kunstvoll drappierte Schaufenster sind typisch.
In den kleinen, dunklen Verkaufsräumen vermischen sich die Aromen der angeboten Waren zu einem vertrauten Geruch und in dieser heimeligen Atmosphäre kommt man sich fast vor wie früher in dem kleinen Kaufmannslädchen, in dem man als Kind gespielt hat.
Die Ultramarinos haben ihre festen Öffnungszeiten und sind sonn- und feiertags geschlossen. Man findet sie heute noch in den Stadtteilen (barrios), selbst in der Innenstadt können sie noch teilweise überleben. Doch die kleinen Ultramarinos schwinden immer mehr, denn die Konkurrenz der großen Supermarktketten mit Tiefstpreisen machen ihnen das Leben schwer und in Krisenzeiten achten die Kunden noch mehr auf ihr Geld. Oft können diese kleinen Lädchen nur überleben, weil sich mehrere Familienmitglieder die Arbeit teilen oder die Ladenräume in Familienbesitz sind.

Kennt ihr auch noch solche Geschäfte in Spanien, wo oben über der Eingangstür in großen Lettern "Ultramarinos" steht? In Deutschland sind die meisten von ihnen schon verschwunden. Ersatz kam durch die Immigranten wie z.B. den "Türke an der Ecke", der ein ähnliches Angebot hat.[/b]
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Lundahl
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Lundahl »

Leider sind heute die „Ultramarinos“ Laden sogar schwierig zu finden in Spanien. Die weniger die noch stehen sind für mich fast nur eine Erinnerung an der Kindheit, als Spanien davon voll war.
Über diese Laden könnten wir sagen, dass –als typische Familiengeschäfte– konnten sie nicht mit der Grossen Kaufzentrums konkurrieren. Die grosse Fläche sind den ganze Tag offen, habe sehr gute Preise und anbieten eine wertvolle Anonymität.

Aber diese Laden sind bei einen neuen Welle von „Ultramarinos“ erstezt: die Laden der chinesischen Bevölkerung in Spanien. Auch hier die Ware kommt aus anderem Kontinent. Und komischerweise können sie sehr erfolgreich mit den Kaufzentrums konkurrieren...

Gruss
Lundahl
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Cozumel »

Ja diese Geschäfte sterben aus. Ich hab mich sowieso immer gewundert wieviele es letztlich in Spanien noch gab, da es kaum mehr Tante Emma Läden in DE gab.

Früher dachte ich immer Ultramarino hatte was mit Blau der Farbe zu tun. :roll: :)
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von pedrokw »

hallo @all, hola Lundahl,

merke ich eben erst - auch von mir ein herzliches bienvenida ! - so langsam wird dieses Forum multikulturell - wieviele Nationen tummeln sich eigentlich hier ? ... weiß das das Team ...?

Achsooo - Thema "Ultramarinos" (Tante Emma-Läden) - in D habe ich bemerkt, dass die "Tante Emmaläden" teilweise ein come back feiern - es ist also Bedarf da ... in ländlichen Gegenden sind es die Hofläden, die eine änliche Funktion erfüllen ... fast jeder Landwirt betreibt einen "Hofladen" mit eigenen und anderen Produkten .... denke, dass der Plausch beim Einkauf nicht zu kurz kommt ....

saludos - bis dann >>>
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Florecilla »

pedrokw hat geschrieben:so langsam wird dieses Forum multikulturell - wieviele Nationen tummeln sich eigentlich hier ? ... weiß das das Team ...?
Hmm, lass mal überlegen :-? Deutsche, Schweizer/innen, Österreicher/innen, Spanier/innen ... habe ich wen vergessen? Ach ja, Jaroslava, die ist gebürtige Tschechin aus Pilsen ... wer noch? Ich glaube, das war's.
Saludos,
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hokusai
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von hokusai »

und in all diesen Ländern gab es diese Tante-Emma-Läden, oder Ultramarinos...

Es ist zwar schon über 20 Jahre her:
Wir holten unsere Milch direkt vom Bauern - damals gab es noch keine Hofläden -, sie stand auf dem Hof neben den Eierkartons in einem Kühlschrank, eine Schale für's Geld daneben. Eines Tages wollte ich meiner kleinen Tochter zeigen, woher die Milch kommt, und nahm sie mit auf den Hof. Mit Erlaubnis der Bäuerin betraten wir den Kuhstall. DEN Anblick hätte ich meinem Kind ersparen sollen, denn offenbar hatten die Kühe in den letzten Wochen nicht einen Wassertropfen auf ihrem Fell genießen dürfen. Unvorstellbar war der Dreck, den wir sehen mussten...
Und von Stund' an wurde die Hofmilch nur noch bei Bauern gekauft, deren Stallungen ich mir vorher angesehen hatte.
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Cozumel »

Ja, da gibts grosse Unterschiede.

Wir hatten im Taunus eine Bauern der Eier von freilaufenden Hühnern verkaufte.

Dort sah es aus wie in der heilen Welt. Freilaufende Hühner, die aber nicht im Dreck scharrten, sondern in einem grossen, zwar offenen aber überdachten Schuppen liefen. Der Boden war mit Heu bedeckt.

Der war so penibel mit Verunreinigungen, dass ich noch nicht mal die Eierkartons vom Supermarkt mitbringen durfte, um seinen Hof nicht mit Salmonellen zu infizieren. Hat mit gut gefallen.
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Oliva B. »

In unserer Stadt wehren sich die kleinen Geschäfte gegen das Ausbluten durch die Discounter und Supermärkte und rufen die Bewohner mit Aushängen auf:
Gesehen im Schaufenster eines kleinen Fischgeschäftes, <br />in dem die Kunden keine Dumpingpreise, <br />sondern Qualität erwartet.
Gesehen im Schaufenster eines kleinen Fischgeschäftes,
in dem die Kunden keine Dumpingpreise,
sondern Qualität erwartet.

Erledige deine Einkäufe im Einzelhandel.
Mit deiner Geste hilfst du die Wirtschaft deiner Stadt zu verbessern,
die Arbeit deiner Nachbarn (zu sichern)
und das Viertel lebendig zu halten.
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Soledad
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Soledad »

Unser -von den Dorfbewohnern gut besuchter- Ultramarino "um die Ecke"^^... sieht von außen aus wie eine Weinhandlung :lol: ist aber ein "Gemischtwarenladen"...
capellades septm16 759.jpg
Dios nunca te cerrarà una puerta, sin antes abrirte una ventana.
Un saludo, Soledad
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Oliva B.
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Re: Die ULTRAMARINOS sterben langsam aus...

Beitrag von Oliva B. »

Ich kenne nur noch wenige "funktionierende" Ultramarinos, aber sie haben besonders in kleineren Orten und bei alten Leuten einen hohen Stellenwert.

Ich hatte bereits geschrieben, dass es in den uns umgebenden kleinen Dörfern (in Spanien) keine kleinen Lädchen mehr gibt, sie wurden durch "fliegende Händler" mehr schlecht als recht ersetzt.

In unserem kleinen Vorort in Deutschland gibt es immer noch den kleinen "REWE-Laden", über dessen Eingang zwischenzeitlich auch Leuchttransparente von Spar, Edeka und anderen Einzelhandelsketten gehangen haben.

Ich bin genauso dankbar wie die anderen Einwohner, dass dieser Einzelhändler noch nicht aufgegeben hat, sondern immer noch investiert/modernisiert. Wer will schon für frisches Obst und Gemüse, Käse und Wurstwaren "vom Stück", fehlende Hygieneartikel etc. viele Kilometer bis zum nächsten Discounter fahren?

Übrigens gibt es NUR dort etwas ganz Entscheidendes, und zwar völlig umsonst:
Die neuesten Nachrichten aus der nächsten Nachbarschaft, die über den üblichen Klatsch und Tratsch hinausgehen.
An der Kasse hört man oft Sätze wie diesen: "Wie? Frau X ist krank? Da muss ich gleich anrufen und fragen, ob sie etwas braucht", man hört auch mitfühlende Worte wie "Elke, seid ihr endlich wieder aus Spanien zurück? Von dort hört man immer nur Horrormeldungen: Brütend heiße Sonne, Waldbrände und die hohe Arbeitslosigkeit..." :mrgreen:
Solche persönlichen Gespräche habe ich noch nie an einer Supermarktkasse geführt - weder in Spanien noch in Deutschland, und wisst ihr was? Dieses sich "um den anderen kümmern", egal ich welcher Form das geschieht, genau das vermisse ich manchmal.
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