Matanza - Ein Leben endet, ein Fest beginnt

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Arbitro
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Matanza - Ein Leben endet, ein Fest beginnt

Beitrag von Arbitro »

Hola,
der Winter ist die Zeit der "Matanza", des Schlachtfests auf Mallorca.
Der Ablauf ist noch nahezu gleich wie vor 300 Jahren. Aus dem Fleisch des Schwarzen Schweins entstehen Sobrassada und Botifarróns.....

Die Zeit ist mehr als reif: bereits Ende Januar. Wenn es jetzt nicht geschieht, dann werden die Behörden den Riegel vorschieben und dann müsste man es zehn weitere Monate durchfüttern. Also muss es heute sein. Die Familie ist beisammen - teilweise sind Töchter und Söhne mit den Ehepartnern und Kindern von weit her angereist. Also jetzt!

Der Metzger, der matador oder auch escorxador; ist auch schon da. Die Familie bereitet das Schlachten ebenso genau und gewissenhaft vor wie der matador selbst.

Nach einer eingehenden Absprache hat sich jeder einzelne genau seine Aufgaben in Erinnerung gerufen: Die Hausherrin legt die Werkzeuge auf dem Tisch zurecht wie eine leitende OP-Schwester die Instrumente, in einer Anord­nung, die seit Generationen überliefert ist und niemals abgeändert wird. Nun versetzt der Metzger dem Tier einen gezielten Stoß. Das Schwein ist sofort tot.

Jeder Tropfen Blut wird mit den bereitgehaltenen Schüsseln und Krügen aufgefangen, und die Familie beginnt sofort, das Blut über dem zuvor geschürten Feuer zu kochen. In den Gefäßen blubbert es, und die rote Flüssigkeit dickt langsam ein. Die Haut des Schweins wird mit kochendem Wasser übergossen und rasiert. Schließlich sucht die Mutter ein bestimmtes Messer von ihrem OP-Tisch und schneidet den Ringelschwanz ab. Oft liegt diesem Privileg des weiblichen Familienoberhauptes eine undurchsichtige Liturgie zugrunde, etwa ein von Generation zu Generation weitergegebener Schwur, dass nur sie den Schweineschwanz abschneiden darf.

Der Schlachter macht nun eine kurze Pause, in der ein Veterinär, so ist es gesetzlich vorgeschrieben, den einwandfreien Zustand des Schweins beurteilt. Denn der matador hat nicht nur die Aufgabe, das Schwein zu töten, sondern muss es auch richtig und fachgerecht ausnehmen. Früher wurde die Tötung durch einen Schlag auf den Kopf vorgenommen.

Später jedoch ging man dazu über, es zu köpfen oder zu schächten und es dann aufgehängt ausbluten zu lassen. Danach wird es entweder vom Rücken her aufgeschnitten, um zuerst die Koteletts herauszuschneiden, oder der Schlachter löst zuerst die Innereien aus dem Bauch. Während früher die Familien das Schlachten noch selbst übernahmen, wird heute immer der matador gerufen.

Einige Arbeitsschritte, die beim Schlachten als schwierig gelten, müssen mit großer Präzision ausgeführt werden. Dazu gehört neben dem Schlacht- und Zerlegevorgang an sich - das Abfüllen der Masse in die Pökelkonserven und vor allem die Herstellung der richtigen Gewürzmischung für die unter­schiedlichen Wurstsorten. Die endgültige Mischung wird durch die erfahrensten Helfer abgeschmeckt.

Die Rollenverteilung beim Schlachtfest folgte früher einerseits dem familiären und sozialen Status, andererseits natürlich der Erfahrung der jeweiligen Personen.

So übernahm die Großmutter das Kochen des Blutes für die Blutwurst, die älteren Freundinnen reinigten die Därme mit Wasser und Zitrone, die Männer brachten das Schwein auf den Schlachttisch, während die Hausherrin die allgemeine Organisation übernahm und darüber entschied, wer Geschenke erhalten sollte und wieviel jedem, den familiären Beziehungen entsprechend, zukommen sollte. Sie legte auch das Essen und die beim Schlachtfest gereichten Getränke fest.

Schließlich gelten diese als Messlatte für die Großzügigkeit und den Status der Familie. Meistens gibt es riesige Mengen aller möglichen Sorten von Schlachtereiprodukten und Innereien, die schnell verarbeitet werden müs­sen. So stehen Fritierstes, gesalzenes Bries, Schnitzel, Suppen mit Speck und Fleischklößchen auf dem Speiseplan. Am beliebtesten ist jedoch der fit de matanza, ein Eintopf aus frischem Gemüse, Kartoffeln und Innereien.

Vom Schwein wird absolut alles gegessen oder zumindest sinnvoll verwertet. Ein Teil des Fleisches wird eingesalzen, aus dem Rest mitsamt den Eingeweiden werden Würste gemacht, die teils camaiots, teils botifarrons genannt werden.

Die botifarrons sind die klassischen dunklen Blutwürste, während die camaiots auch größere Fleischstücke enthalten. Aus der Schweinehaut nähen die Frauen Beutel, in die später die Würste gefüllt wer­den. Selbst der Penis wird zu einem Stock gedreht, der früher zum Einfetten von Werkzeugen nützlich war.

Der pixa de porc nahm einen wichtigen Platz im Haus ein und wur­de unter anderem an die Wand gehängt, so dass er stets gegenwärtig war - ein Thema für Sexual-Ethnologen.

Auch die Kinder haben zu tun. Sie müssen den Abend, den absoluten Höhepunkt des Festes, organisieren. Das Ende des anstrengenden Arbeitstages wird in jeder Familie von einer großen festa mit Musik und Tanz gekrönt. Hier kommen dann auch die Verehrer der noch unverheirateten Töchter ihren Angebeteten näher.

Übet viele Jahrhunderte war as Schlachtfest auf dem Land eine wichtige Tradition, um die Ernährung für das gesamte Dorf während der Wintermonate sicherzustellen. Mit dem Beginn des großen Tourismusbooms Mitte des 20. Jahrhunderts und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung gerieten die ländlichen Traditionen in .Vergessenheit.

Das Mästen des Hausschweins lohnte sich nicht mehr und wurde als lästig empfunden, nur noch Romantiker und Traditionalisten leisteten sich diesen Luxus. Das Schwein kam aus der Mode, und man sah es nur noch sporadisch als Spanferkel auf dem Holzfeuer. Lange Zeit übernahmen nur noch Metzger und kleine Industriebetriebe das Schweine schlachten.

Aus Rückbesinnung auf alte Bräuche züchten heute einige ländliche Familien wieder selber ein Schwein und verbinden es mit einer Feier, dieses fachgerecht schlachten zu lassen. Deshalb gibt es heute wahrscheinlich keine bessere Möglichkeit, eine mallorquinische Familie kennezulernen, als an einer matanza teilzunehmen.

An diesem Tag erschließen sich das Wesen und die Mentalität der Einheimischen, die sich über die Familienbande hinweg sehr nahe sind und dennoch den Freiraum der anderen respektieren.

< Quelle >

saludos
Arbitro
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