Nationalstolz - typisch Spanisch?

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Oliva B.
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Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Oliva B. »

Wenn man den Zahlen glauben darf, dann ja!
Zitat:
  • "'Yo soy espanol, espanol, espanol' (Ich bin Spanier, Spanier, Spanier) - So hörte man sie in den vergangenen Jahren immer wieder im ganzen Land singen. Die Spanier waren stolz auf ihr Land. Vor allem, nachdem die Fußball-Nationalmannschaft hintereinander die Europa-, Welt- und erneut die Europameisterschaft gewonnen hatte.[...]
    2008 bezeichneten 85 Prozent der Bevölkerung es als Ehre, Spanier zu sein."
OÖ-Nachrichten skizzierte unter dem Titel "Die Krise kam, der Stolz ging", was sich in den letzten Jahren in Spanien geändert hat.

Aber wie sieht es mit unserem, also dem deutschen Nationalbewusstsein aus? Sind wir eigentlich stolz auf das, was wir seit dem 2. Weltkrieg erreicht haben? :-?
  • "Eine repräsentative Studie, die Soziologen der Universität Hohenheim im Auftrag der Identitiy Foundation durchgeführt haben, zeigt, dass etwa 60 Prozent der Deutschen stolz sind auf ihr Heimatland."
Nur so wenige? Sicher, die Zahl stammt aus April 2009, doch es ist die einzige Vergleichszahl, die ich gefunden habe. Ich wiederhole: 2008 waren 85 Prozent der Spanier stolz auf ihr Land, obwohl der wirtschaftliche Verfall bereits voll im Gange war.

"Warum sich die Deutschen selbst nicht mögen" ist das Ergebnis einer 10 Jahre dauernden Studie von Ulrich Schmidt-Denter, veröffentlicht im Januar 2012.

Die Deutschen scheinen also deutlich verklemmter zu sein, was ihren Nationalstolz anbelangt, denn das Ausland sieht uns positiver (z.B. die Franzosen 85 %) als wir uns selbst. Sind wir eigentlich nur stolz, wenn unsere Fußballelf gewinnt?

Wann haben die Spanier ihren Stolz entwickelt? Erst in den Boomzeiten oder gab es DEN "stolzen Spanier" schon früher?
National.JPG
Zitat:
  • "'Man sei 'stolz wie ein Spanier' ist einfach daher gesagt, kommt aber nicht von Ungefähr. Der Spanier liebt sein Land, er liebt sich selbst und er ist stolz auf alles, was sein Leben ausmacht."
Zitat

Die Älteren unter uns erinnern sich noch sehr genau:
Vor und während der Franco-Aera war Spanien ein armes Land. Gastarbeiter zogen in die Industriestaaten Mitteleuropas und nach Übersee, damit ihre zurückgelassenen Familien von ihrem Verdienst überleben konnten.

Daten:
  • 1975 starb Franco.
    1982 wurde Aznar Regierungschef.
    1985 kam der NATO-Beitritt,
    1986 war Spanien Mitglied der EU. Seitdem stiegen die Preise im Land.
    1992 fanden die Olympischen Spiele in Barcelona und die Expo in Sevilla statt, und Madrid wurde europäische Kulturhauptstadt. Das Land boomte und die Wirtschaft wuchs in den 90er Jahren überdurchschnittlich, die Zinsen fielen, ein grenzenloses Wachstum schien möglich.
Die Spanier konnten stolz sein auf das, was sie erreicht hatten, und wurden von den anderen EU-Staaten für ihre Leistung bewundert.

Und nun frage ich euch, warum ist unser Nationalstolz so unterentwickelt?
Liegt das an unserer Vergangenheit, die fast 70 Jahre zurückliegt? :-?
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FridaAmarilla
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von FridaAmarilla »

Oliva B. hat geschrieben:"'Yo soy espanol, espanol, espanol' (
Na ja, das sagt hier im Land Valencia wohl nicht jeder Spanier. Wenn wir von Süden kommend Richtung Norden fahren, sehen wir sehr häufig: "Soy Valenciano - no espanol" und die Richtungsschilder "Elche" werden immer wieder (wenn sie nicht sowieso schon ausgewechselt wurden) mit schwarzer Farbe übermalt in "Elx".

Ok - ist nicht das Thema, wollte ich aber mal sagen ....
Cozumel
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Cozumel »

Ich bin schon stolz Deutsche zu sein.

Allerdings sehr ich kein Grund das in die Welt hinauszuposaunen. Wir Deutsche haben Altlasten zu tragen und Zurückhaltung halte, ich zumindest, für angebracht.

Wir haben eine eine bemerkenswerte Geschichte vor dem ersten Weltkrieg und bedeutende Menschen hervorgebracht.
Allerdings, das sollte man nicht vergessen, waren viele davon deutsche Juden.

Wir haben uns nicht übermässig als Kolonialherren (ausser in Afrika) versündigt.

Der Wiederaufbau des total zerstörten Deutschland und die Wiedervereinigung sind auch Punkte die uns so schnell kein anderes Land nachmacht.
haSienda
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von haSienda »

Ja, Elke...DAs ist der Punkt.
Jeder Italiener hat "seine" Länderflagge auf dem Kofferraumdeckel des (italienischen) Autos kleben, wenn du in London aus dem Zug steigst siehst du vor "Union Jack's" nix von der Stadt, in Amerika singen Schulkinder vor der Flagge stehend.

Ich könnte mir durchaus vorstellen dass -wenn WIR diese "Eigenheiten" übernehmen würden- unsere europäischen Nachbarn sagen: "oh, es geht wieder los".

Unser Nationalstolz beschränkt sich auf Demut.

Derek
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Montemar
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Montemar »

Mir gefällt die Aussage und möchte an dieser Stelle gerne Johannes Rau zitieren:

„Man kann nur stolz auf etwas sein, wozu man selber beigetragen hat. Ich bin stolz auf das, was wir in Deutschland in den Jahren seit 1949 und nach 1989 an Freiheit und Gerechtigkeit in Solidarität aufgebaut haben. Ich bin gerne Deutscher - wie alle deutschen Patrioten. Und deshalb lehne ich Nationalismus ab. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“

Und ich sage noch dazu: Aber in erster Linie sollten wir doch alle stolz sein EUROPÄER zu sein !
„Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt?" Ernst R. Hauschka
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Oliva B.
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Oliva B. »

Montemar hat geschrieben:
Und ich sage noch dazu: Aber in erster Linie sollten wir doch alle stolz sein EUROPÄER zu sein !

Und mit dieser Aussage sprichst du mir voll aus dem :x
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Florecilla
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Florecilla »

Das Zitat von Johannes Rau gefällt mir, Montemar.

Diese sogenannten Altlasten der Deutschen stoßen mir immer äußerst unangenehm auf. Meine Eltern wurden im 2. Weltkrieg geboren, selbst sie sind für keinerlei Altlasten verantwortlich.

Interessanterweise habe ich mich diese Woche mit meinem Arzt, einem gebürtigen Nordspanier, der mit 8 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern nach Deutschland kam, über ein ähnliches Thema unterhalten. Er meinte, dass er die Deutschen in vielen Dingen nicht verstehen könne, aber das läge wohl an der deutschen Geschichte und den "Altlasten". Er fand, Deutschland könne stolz auf die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg sein, in Deutschland könne jeder etwas erreichen, aus seinem Leben etwas machen, die Möglichkeiten wären so breit aufgestellt, man müsse es halt nur anpacken ...
Saludos,
Florecilla (Margit)


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Josefine
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Josefine »

Als wir am Wochenende in Madrid waren, wurde u.a. eine Panoramafahrt mit einer spanischen Fremdenführerin gemacht. Sie sprach ein hervorragendes Englisch und Deutsch ebenfalls sehr gut. Da wir die einzigen Deutschen waren, kamen wir etwas näher mit ihr ins Gespräch.

Sie sprach uns darauf an, was von den deutschen Medien verbreitet wird: der Goldesel Deutschland hilft den faulen Spaniern. Sie war richtig in ihrem Stolz verletzt. Irgendwie war uns diese Art der deutschen Berichterstattung schon peinlich. :oops:

Diese Spanierin sagte, es mag ja sein, dass die Deutschen noch effektiver arbeiten als die Spanier, aber faul seien sie absolut nicht. Sie schilderte uns, dass sie die Fremdenführung zusätzlich zu ihrem Job angenommen hat und jeden Samstag
2 Führungen macht, d.h. sie ist bis zum Abend unterwegs. Ihr Mann hat auch noch einen Zusatzjob angenommen. Sie machen dies, um auch die Privatschulen ihrer beiden Kinder zu finanzieren. Scheinbar versucht die Mittelschicht in Madrid, ihre Kinder nicht auf öffentliche Schulen zu schicken, sondern auf diese Privatschulen. Unser holländischer Reiseleiter sagte, dass es in den öffentlichen Schulen sehr undiszipliniert zugeht (zumindest in Madrid).

Ich muss sagen, seitdem ich hier an der südlichen CB lebe, fühle ich mich eher europäisch, da man täglich mit soviel unterschiedlichen europäischen Nationalitäten Kontakt hat.

Grüsse :)
Josefine
Gruß Josefine :)
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von Cozumel »

Florecilla hat geschrieben: Diese sogenannten Altlasten der Deutschen stoßen mir immer äußerst unangenehm auf. Meine Eltern wurden im 2. Weltkrieg geboren, selbst sie sind für keinerlei Altlasten verantwortlich.
Es gibt ein Unterschied zwischen der persönlichen Verantwortung und der nationalen.

Ich fühle mich auch keineswegs schuldig oder verantwortlich.
Aber ich enpfinde so etwas ähnliches wie Scham. Trotzdem möchte ich nichts anderes als Deutsche sein.
Oder evtl. noch Engländerin. Ich mag die Engländer, kann nix dafür. :oops:
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Re: Nationalstolz - typisch Spanisch?

Beitrag von nixwielos »

Auf eigene Leistung sind wir gerne stolz, schämen uns für eigene Fehler oder Schwächen eigentlich nicht, höchstens für manchmal mangelnde Courage oder "Faulheit/Trägheit".

Im Innersten sind wir schwäbische Europäer, denn wir sind viel in der Welt unterwegs und fühlen uns unserem Kontinent sehr verbunden, dazu gehört natürlich Deutschland! Aber durch vielfältige Kontakte zu Menschen in ganz Europa ist das Herz nicht so eng an Deutschland gebunden. Wahrscheinlich können wir deshalb auch jetzt schon einen Lebensabend in Spanien planen, was viele unserer Freunde nicht recht nachvollziehen mögen. "Aus Deutschland zieht man doch nicht weg, wo soll es denn besser sein..." :-?
Viele Grüße von Nicole und Stefan!
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