Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Weltenbummler berichten über ihre Reiseabenteuer in andere Weltteile
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ville
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Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von ville »

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Hallo Reisefreaks, Leseratten und Exotik-Interessierte,

wir haben im März/April diesen Jahres eine Ecke Indiens bereist, in der sich nicht so viele Touristen tummeln: den Bundesstaat Gujarat an der südpakistanischen Grenze. Allerdings haben wir bei dieser Gelegenheit noch einen Abstecher in den Norden gemacht, um "unsere" (viele Jahre unterstützte) indische Familie zu besuchen. Zudem wollten wir auf dem Weg nach Südwesten ein wenig in Udaipur relaxen.
( pichichi hatte ja bereits in einem klasse Bericht über Rajasthan u.a. auf diese Stadt hingewiesenen.
( http://www.costa-blanca-forum.de/viewto ... =68&t=6068 )

Vielleicht sucht ihr ja für die langen Abende etwas zum Lesen. Wen es interessiert, den (oder auch sie) nehmen wir in unserem Bericht (eher schon eine Erzählung) mit auf die Reise und geben ihm/ihr ein paar Einblicke in ein so ganz anderes Land, gemessen an unserer Welt .

Den Bericht versuche ich scheibchenweise zu laden. Es gibt nicht nur Bilder, sondern reichlich lesen. Mal sehen, ob die Geschichte bei euch ankommt. Viel Kurzweil dabei !

Gruß ville



Schon wieder nach Indien ? Ein Rückblick auf unsere 5-wöchige Gujarat-Reise 2014

Kein Land haben wir so oft bereist wie diesen Subkontinent. (Jedenfalls, wenn wir Mittel- und Südeuropa mal weglassen)
Nach Touren durch verschiedene Regionen Indiens wollten wir bereits kurz nach der Jahrtausendwende auch eine Reise durch den Bundesstaat Gujarat machen, aber ein vernichtendes Erdbeben hatte 2001 in der Region um Bhuj rund 20.000 Menschenleben gekostet und heftige Zerstörungen verursacht. Dahin wollten wir dann erst mal nicht......

Na ja, und da ist auch noch „unsere“ Familie in Jammu, die ich während der inzwischen 35 Jahre unseres Kontakts 8 mal besucht habe, Margot immerhin 6 mal.

Im Okt. 2013 landete ein Reisebericht von Freunden aus London im virtuellen Briefkasten. Paola und Carmine hatten wir einst in Zentral-Indien getroffen, und sie sind ebenso fasziniert von diesem Land. Ihr Bericht über Gujarat klang fast euphorisch.
Margot googelte spaßhalber mal Flugpreise, und ein beinahe unwiderstehliches Angebot für einen Gabelflug Valencia- Istanbul- Delhi sowie zurück aus Mumbai löste bei ihr emsiges Recherchieren aus.
Nun wollten wir einen der wenigen weißen Flecke auf unserer Indien-Karte beseitigen, vorher aber noch unsere Familie besuchen. Impfungen brauchten wir keine, und allzu viel besorgen mussten wir auch nicht. Lediglich die Visa-Prozedur über Madrid bedeutete einigen Aufwand.


Am 26.2. geht die Reise dann endlich los. Nach angenehmen Flügen mit Turkish Airlines sowie Jet Airways ab Delhi erreichen wir einen Tag später Jammu, die Hauptstadt des Bundesstaats Jammu & Kashmir. Kaum jemand in unseren Breiten kennt die zweitgrößte Stadt dieses Staats an der Flanke des Himalaya, obwohl sie weit über eine halbe Million Einwohner hat. Nur ein paar Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt, war sie häufig von den Ereignissen rund um den Kashmir-Konflikt betroffen, und wir selbst mussten im Jahr 2000 während eines Ausnahmezustands eine Woche im Haus Ashoks, eines alten Bekannten, verbringen.

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Jammu
Eine Unterkunft hatten wir bereits gebucht, und für die nächsten Tage wohnen wir im Colonels Retreat Home, einem feinen „Bed and Breakfast“, ca. 4 km entfernt vom Stadtteil Panjtirthi.
Dort hatten wir im August 1978 bei der Rückkehr aus dem Himalaya mit unserem klapprigen alten Benz 200 D die Raina-Familie in einem Hinterhof aufgestöbert. Die Adresse hatten wir von Kumari (meiner späteren indischen Schwester) und ihren beiden Töchtern im Örtchen Kud erhalten, als wir ihnen erstmals begegneten. Da waren wir auf dem Weg nach Kashmir und Ladakh.

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Mit dem Bild links entsteht fast der Eindruck, eine Prinzessin habe mit großem Pomp geheiratet, aber das täuscht gewaltig. Rechts die Girls neben unserem Auto in Kud in 1600 m Höhe an der Straße nach Srinagar.

Bei der Rückkehr aus dem Himalaya fragten wir uns dann in Jammu durch das Labyrinth der engen Gässchen bis zu dem besagten Hinterhof durch, wo Papa und Mama Raina mit Sunita (8), Anju (7) und Söhnchen Sonu (2) in zwei winzigen Räumen hausten und kaum wussten, wie sie z.B. das Schulgeld für 3 Kinder bezahlen sollten. (Diese Sorge nahmen wir ihnen ein Jahr später ab...)
Inzwischen haben wir kein Problem mehr, die Rainas zu finden. Jai Shanker, der Vater, ist leider vor 3 Jahren verstorben, und jetzt wohnt nur noch Sonu bei seiner Mutter Kumari, weil sie ihn braucht und die Tradition es so verlangt. Die beiden Töchter sind gut verheiratet und haben selbst jeweils 2 Töchter.
Sunita's Hochzeit 1995. (Der Pomp ist geliehen.)

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Die 4 unteren Bilder entstanden im März '14.

Alle leben in relativ gesicherten Verhältnissen. Allerdings in verschiedenen Stadtteilen, so dass wir einen erheblichen Fahraufwand haben, um mal hier und mal da zu Besuch zu kommen. So vergehen die nächsten 6 Tage, während wir Erinnerungen austauschen, kleine Rundgänge machen, alte und neue Fotos anschauen, herumalbern und Probleme diskutieren.
Sie alle sind gläubige Hindus und natürlich Vegetarier. Was sie kochen, schmeckt uns fast ausnahmslos gut, und mit den Gewürzen kommen wir klar. Anju's Mann Satish Bali hat Geburtstag, und wir schenken ihm 2 Hemden. Zu Hause bekommen wir u.a. „Black Forest“, gar nicht mal schlechte Schwarzwälder Torte (natürlich ohne Schnaps)!

Sehenswürdigkeiten gibt es nicht allzu viele in dieser Stadt, aber immerhin besuchen wir das alte Fort über der Schlucht des Tawi River und einen Palast sowie ein College, in dem Sonu eine schlecht bezahlte Stelle als „Computer-Operator“ hat. Außerdem an einem Feiertag einen Hindu-Tempel, wo alle außer uns einen heiligen Schrein umrunden.

Der Verkehr in Jammu's Zentrum ist geradezu überwältigend: Kolonnen von Fahrzeugen schieben sich durch die völlig überlasteten innerstädtischen Straßen, ein Stau folgt dem anderen. Es gibt inzwischen zu viele Pkws, die sich hupend ihre Vorfahrt sichern wollen, aber die flinken 3-rädrigen Motor-Rikschas stoßen in jede frei werdende Lücke, und wo selbst sie nicht mehr hineinpassen, drängeln sich die zahllosen Roller und Motorräder . Manchmal sind wir dazwischen, wenn Sunu uns Beide auf sener 125er Honda transportiert, oder wenn wir einen "Threewheeler" nutzen (Dreirad-"Taxi").

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Die Luftverschmutzung ist unbeschreiblich und der Lärm ebenso. Weil praktisch fast keine Verkehrsregeln beachtet werden und man stets mit aller Art von Hindernissen rechnen muss, kündigt jeder sein Drängeln mit ständigem Hupen an. Das wir praktisch verlangt. Auf allen LKWs steht hinten für Überhol-Willige : "Horn please" . Welch ein Spektakel ! Des öfteren greifen wir nach einem Luftfilter, z.B einem Halstuch.
Aber natürlich gibt es auch ruhige Ecken in der Altstadt und an der Peripherie, wo man das (meist immer noch quirlige) Leben auf sich einwirken lassen kann.

Am vorletzten Tag treffen wir uns allein einem feinen Restaurant (na ja...) und essen lecker . Leider ist Anju's Mann Satish nicht dabei. Er muss sich um seine Geschäfte kümmern.
Abends müssen wir uns verabschieden, und es gibt auch ein paar feuchte Augen. Werden wir uns je wieder sehen ?
Am anderen Morgen kommt Sonu noch auf seinem Motorrädchen zum Colonel Retreat, winkt uns nach, als wir uns in einer Motor-Rikscha zum Airport aufmachen. Wir haben ihm ein Päckchen Rupien in die Hand gedrückt, das er widerstrebend nimmt. Sie seien auch für Kumari's Medikamente, denn sie ist nicht mehr „so gut drauf“, hat Magen- und andere Probleme.

Wir fliegen zurück nach Delhi und kurz darauf weiter nach Udaipur. (Soweit der "Vorspann" des Berichts)
.
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(wusste bereits Augustinus Aurelius, 354 – 430, Philosoph)
pichichi
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von pichichi »

Grandioser Start eines feuilletonwürdigen Berichts über eine mir noch unbekannte Ecke des in der Tat incredible India! >:d<

Bevor wir Gujarat ansteuern können stehen noch Kalkutta, Madras, Trivandrum, Bombay und eventuell Nepal auf der Liste...
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von nixwielos »

Wunderbar erzählt, wir warten ungeduldig auf die Fortsetzung! Indien ist bisher ein einziger weißer Fleck auf unserer Reisekarte und wir lassen uns nur zu gerne inspirieren... >:d<
Viele Grüße von Nicole und Stefan!
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Josefine
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von Josefine »

Freut mich @ville, wieder einen interessanten Reisebericht incl. Fotos hier zu finden. :)

Indien steht zwar nicht auf meiner Reiseziel-Liste, aber das macht ja nix. ;) OK, das Taj Mahal vielleicht. ;)
Ich interessiere mich trotzdem für Reiseberichte aus allen möglichen Ecken auf der Welt. :)

Ein toller Bericht von Dir und ich freue mich auf die Fortsetzung. :)

Gruß
Josefine
Gruß Josefine :)
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deniamartin
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von deniamartin »

ein super interessanter Reisebericht von einem weitgehend unbekannten Land. Und es ist schön zu sehen, dass bei Vielen der Horizont doch über die Costa Blanca hinaus reicht >:d< .
Ich habe mein wildes Berufsleben im Ausland 1983/1984 in Himachal Pradesh, gar nicht so weit von Gujarat entfernt, begonnen, damals noch mit Frau und Säugling, schon richtig tief im vorderen Himalaja, im benachbarten Panjub wurde damals gekämpft, und Indira Gandhi wurde erschossen - eine ziemlich schwere Zeit. Seitdem war ich nie wieder in Indien. Aber für das Leben auf dem Land musste ich damals Hindi lernen (lesen, schreiben, sprechen und verstehen), und zumindest das Verstehen und Sprechen habe ich seitdem nie mehr ganz vergessen!
Schon beim Lesen Eures Berichtes kriecht mir der eigenartige Geruch, der einem überall in Indien entgegenschlägt, förmlich wieder in die Nase. Damals hatte Indien ca. 700 Mio. Einwohner, heute sind es wohl schon knapp 1,2 Mrd! Eigenartigerweise reizt mich das Land heute überhaupt nicht mehr, umso schöner, dann hier in diesem Forum wieder etwas darüber zu lesen!
Viele Grüße aus dem tief verschneiten Kaukasus!
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Oliva B.
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von Oliva B. »

Hallo ville,

vielen Dank für diesen spannenden Reisebericht. Es gibt wohl kaum jemanden unter uns, der über Jahrzehnte persönliche Kontakte zu Menschen in diesem fernen Erdteil aufrecht erhalten hat. Aber durch eure Patenschaft wird die Verbindung nicht angerissen sein. Euer Engagement hat sich für gelohnt, aus den Kindern der Familie ist etwas geworden. Darüber dürft ihr euch zu Recht freuen.

Über ein Bemerkung von dir klär mich bitte auf. Wie kommt man zu einer "späteren indischen Schwester" (Kumari) ?
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ville
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von ville »

Danke "für die Blumen" und euer Interesse am Bericht. Dies motiviert mich natürlich, für Fortsetzungen zu sorgen.

@ Oliva B. : Über eine Bemerkung von dir klär mich bitte auf. Wie kommt man zu einer "späteren indischen Schwester" (Kumari) ?
--> Das hat sich ergeben! Ein Jahr später (1979) sind wir wieder mit einem Auto die Route mit dem Ziel Nepal gefahren und hatten Kartons mit Sachen für die Familie dabei. Zudem hatten wir die Finanzierung des Schulgelds für die 3 Kids in die Wege geleitet. Da hat mir Kumari ein Rakhi (Armbändchen) um das Handgelenk gebunden. Seitdem bin ich der Bruder und für alle Kids "Uncle", Margot natürlich "Auntie".....


Udaipur

Während wir bisher keinen einzigen gesichtet hatten, wimmelt es hier geradezu von ausländischen Touristen. Udaipur war seit ca. 1570 die Hauptstadt des Reiches und später der Provinz Mewar und ist heute vor allem Fremdenverkehrs-Zentrum. Der Stadt-Palast (im Bild-Hintergrund) am südlichen Ufer des Pichhola-Sees war die Residenz des Herrschers, des Maharana.

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Im See liegt das in den meisten Reiseprospekten aufgeführte Lake-Palace-Hotel, bekannt auch als Drehort einiger Filme wie z.B. „Octopussy“ mit Roger Moore als Bond-Darsteller. (Bild u. rechts; sorry, Bild ein wenig abgesägt)

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Fast alle Rajastan-Rundreisen beinhalten einen Besuch dieser Stadt in reizvoller Umgebung, auch als „Schweiz des Ostens“ bezeichnet.
Wir wohnen zunächst inmitten der Altstadt unweit des Palastes und lassen uns durch die Gassen treiben, freuen uns über das schöne Stadtbild rund um den Lake Pichhola. Viele der alten Havelis ( Herrenhäuser wohlhabender Händler ) begeistern mit ihren Fassaden oder ihren Dachterrassen und herrlicher Aussicht.
Das große Angebot an Restaurants, Cafés, zahlreichen Souvenir-Shops bietet einen reizvollen Kontrast zu dem während unserer Tagen in Jammu. Der Verkehr ist aber auch hier hektisch, und nach 2 Tagen wechseln wir in den ruhig - entspannten Stadtteil Alkapur am Ostufer des Pichhola, wo wir während eines Rundgangs ein nettes kleines Hotel gefunden haben. Hier ist die Umgebung fast ländlich, und alles geht entspannt zu. Sehenswürdigkeiten wie den Stadtpalast kennen wir schon von unserer Rajasthan-Rundreise im Jahr 1991. So wollen wir uns mehr auf die Begegnung mit den Einheimischen konzentrieren, die trotz der langen Tourismus-Schwemme immer noch erstaunlich liebenswert sind.

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Bei dieser Familie werden wir zum Tee eingeladen, nachdem ich dem Hausherrn geholfen habe, eine festsitzende Verschraubung an einem Wasserrohr am Haus zu lösen.

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Für 1 Tag mieten wir ein Motorrädchen und machen einen Ausflug zum Monsun-Palast, einige km außerhalb der Stadt auf einem Hügel gelegen – eine Palastruine aus dem 18. Jh. Oben wird man mit einem großartigen Blick über die Stadt und die beiden Seen belohnt.

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Auf dem Parkplatz erhalten wir Anschauungsunterricht in Sachen „Umgang mit Tieren“. Eine Gruppe junger Leute sitzt inmitten einer Affenherde, die entspannt und friedlich nach Essbarem sucht und auch ein paar Kekse bekommt.

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Auch sonst gibt es "Wildlife" :

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Auf den Sonnenuntergang können wir leider nicht warten, denn ich will nicht im Dunkeln zurückfahren. Der Beleuchtung unseres Vehikels traue ich nicht. Wie überall werden wir gebeten, uns mit Einheimischen zusammen fotografieren zu lassen, und selbst nicht Englisch sprechende wollen wissen: „Your Kanntrrie ??“ Oft ist das Erstaunen groß, dass ein Deutscher und eine Schweizerin verheiratet sind und dann auch noch in Spanien leben....
Zwischendurch besorgen wir uns mal wieder Rupees:

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Nach 4 Tagen klettern wir an einer Ausfallstraße in einen Bus .

Hier unsere Route durch Gujarat:

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So erreichen wir 6 h später unser nächstes Ziel.

Ahmedabad

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Ahmedabad ist mit ca 7 Mill EW eine der größten Städte Indiens und soll für uns eher ein Zwischenstopp auf dem Weg durch Gujarat sein.
Unser Hotel liegt nicht weit vom jetzt fast trockenen Flussbett des Sabarmati im Stadtteil Ellis Bridge. Über die gleichnamige Brücke ( die unterste im Bild) wechseln wir einige Male in den Altstadt-Bereich hinüber, etwas verwundert darüber, dass dort das Verkehrschaos und die Luftverschmutzung noch dramatischer zu sein scheinen als in Jammu.

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Der riesige Markt dort zieht sich durch einige Straßenzüge. Ein Heer von Menschen quält sich gemeinsam mit zahllosen Dreirad-“Taxis“ sowie Zweirädern durch die verbliebene freie Fläche. Das Hupkonzert bist unbeschreiblich. Gerüche wechseln zwischen Abgasen der Zweitakter, Gewürzmischungen, Pinkelecken, Garküchen-Dünsten, Blumendüften und mehr. Immer wieder verwunderlich ist (für uns) die Gelassenheit der Menschen, die keinerlei Probleme damit zu haben scheinen, das Bombardement der Sinne zu ertragen.

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Die Marktstände sind oft eine Augenweide,

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und solche mit Henna verschönerten Hände natürlich auch !

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Während der 2 Tage in der Stadt machen wir einige lohnende Besichtigungen. So schauen wir uns den Hutheesing Jain -Tempel mit beeindruckender Architektur, Skulpturen, Säulen und wunderbaren Steinornamenten an.

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Nahe des Marktes finden wir die Jama Mashid, eine Moschee mit großem, rechteckigem Innenhof und zentralem Wasserbecken, an dem sich die Gläubigen vor dem Gebet reinigen. Der überdachte, zum Platz hin offene Teil an der Stirnseite ruht auf über 260 Säulen, ebenso aus gelbem Sandstein geschlagen wie die restlichen Bauelemente.

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Die Ruhe lädt zum Verweilen ein. Dies ändert sich jedoch schlagartig, wenn der Muezzin zum Gebet ruft. Meist mischt sich dann das Getöse aus den Lautsprechern noch mit dem anderer Moscheen in der Nähe, je nach Standort.
Abends bleiben wir auch während des Gebets, aber natürlich dezent im Hintergrund. Wir haben erfahren, dass 2 Musikanten hinter der Moschee nach 19 Uhr klassische Musik darbieten. Tatsächlich: aus einer Seitengasse hören wir rhythmisches Trommeln und klagende Laute aus einem Blasinstrument. Heute ist es nur einer, der gleichzeitig trommelt und das Shehnai bläst, das die durchdringenden und für klassische indische Musik charakteristischen Töne erzeugt. Wir sind ganz allein anwesend , fasziniert von der Stimmung im Halbdunkel des an 2 Seiten offenen Raums.

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Am andern Tag sehen wir uns das Calico Museum of Textiles an. Wir hatten Glück, bekamen telefonisch die letzten 2 Plätze einer 20-köpfigen Gruppe reserviert. Mehr lässt man täglich wegen der klimatisch schädigenden Einflüsse nicht hinein. Hier sehen wir staunend eine unvergleichliche Sammlung an gewebten, bedruckten, bestickten und bemalten Textilien, aus der während einer Führung die Kunstgeschichte, Kultur und Einflüsse von Brahamismus, Buddhismus, Hinduismus, Jainismus und Islam aus rund 2 Jahrtausenden erklärt werden.

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Zwei Tage später setzen wir die Reise fort und erreichen nach kurzer Busfahrt die Provinzhauptstadt Vadodara, oft Baroda genannt nach dem einstigen Fürstentum. Sie bildet einen Gegensatz zu Ahmedabad, wirkt sauberer, aufgeräumt und organisiert. In Gesprächen mit dem Einen oder der Anderen vertreten fast alle die Meinung, es liege an einer guten Administration bei verringerter Korruption. Eigentlich logisch, oder?
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von ville »

Zu euren Kommentaren:

@ pichichi : ........ in der Tat incredible India!
Bevor wir Gujarat ansteuern können stehen noch Kalkutta, Madras, Trivandrum, Bombay und eventuell Nepal auf der Liste...

>> nix wie hin. Indien ändert sich v.a. in den Städten erkennbar. Aber es bleibt incredible ! In Nepal haben wir 1982 geheiratet,nachdem wir vorher die noch selten begangene Annapurna-Umrundung hinter uns gebracht hatten. Seither waren wir nicht mehr da. Geht ihr Beide doch mal schauen, wie es in diesem Land heute so aussieht, und schreibt einen weiteren eurer fein gestrickten Berichte !

@ Nicole, Stefan:: ...... Indien ist bisher ein einziger weißer Fleck auf unserer Reisekarte und wir lassen uns nur zu gerne inspirieren...

>> da wird's aber Zeit. Euch zu inspirieren, da helfe ich gerne mit !

@ Josefine : Indien steht zwar nicht auf meiner Reiseziel-Liste, aber das macht ja nix. ;) OK, das Taj Mahal vielleicht. ;)
Ich interessiere mich trotzdem für Reiseberichte aus allen möglichen Ecken auf der Welt.


>> Josefine, wir hatten 2009 eine Schweizer Freundin für 2 Wochen von Kalkutta über Khajuraho, Varanasi, Gwalior und natürlich Agra mitgenommen. Sie war noch nie in Indien, und der Mund stand ihr bei der Konfrontation mit dem indischen Alltag regelmäßig offen. Als wir dann aber in der ersten Morgensonne vor dem Taj Mahal standen, war sie vor Ergriffenheit eine Stunde lang völlig sprachlos. Dir könnte es vielleicht ähnlich ergehen....

@ deniamartin : ........
Ich habe mein wildes Berufsleben im Ausland 1983/1984 in Himachal Pradesh, gar nicht so weit von Gujarat entfernt, begonnen, damals noch mit Frau und Säugling, schon richtig tief im vorderen Himalaja, im benachbarten Panjub wurde damals gekämpft, und Indira Gandhi wurde erschossen - eine ziemlich schwere Zeit. Seitdem war ich nie wieder in Indien. Aber für das Leben auf dem Land musste ich damals Hindi lernen (lesen, schreiben, sprechen und verstehen), und zumindest das Verstehen und Sprechen habe ich seitdem nie mehr ganz vergessen!
Schon beim Lesen Eures Berichtes kriecht mir der eigenartige Geruch, der einem überall in Indien entgegenschlägt, förmlich wieder in die Nase. Damals hatte Indien ca. 700 Mio. Einwohner, heute sind es wohl schon knapp 1,2 Mrd! Eigenartigerweise reizt mich das Land heute überhaupt nicht mehr, umso schöner, dann hier in diesem Forum wieder etwas darüber zu lesen!
Viele Grüße aus dem tief verschneiten Kaukasus!
Martin


>> Martin, es ist schon eigenartig. Oft haben wir gehört, was wir selbst auch fühlen: bist du in diesem Land und hast einen schlechten Tag, dann stößt es dich ab. Was willst du eigentlich hier? "Musst du dir das antun?" Kaum bist du aber weg, willst du wieder hin.
Dass dich Indien nicht mehr reizt, ist eine andere Geschichte. Die Qualität deiner Erlebnisse gibt es für Traveller kaum, denn die wechseln einfach den Ort, wenn sie vom letzten genug haben. Dein Bericht aus dem Kaukasus wir total interessant, und es ist wünschenswert, noch mehr von dir zu hören. Gibt es im Kaukasus indische Restaurants ? Und chinesische Ramschläden?

@ Elke : vielen Dank für diesen spannenden Reisebericht. Es gibt wohl kaum jemanden unter uns, der über Jahrzehnte persönliche Kontakte zu Menschen in diesem fernen Erdteil aufrecht erhalten hat. Aber durch eure Patenschaft wird die Verbindung nicht angerissen sein. Euer Engagement hat sich für gelohnt, aus den Kindern der Familie ist etwas geworden. Darüber dürft ihr euch zu Recht freuen.

>> Stimmt, Elke. Man hört so oft, dass Menschen unsicher sind , ob ihre Spende überhaupt ankommt oder von einer ominösen Verwaltung, Geschäftemachern oder korrupten Verteilern geschluckt wird. Wir hatten in dieser Sache nie das Gefühl, dass man uns ausnehmen wollte, und anscheinend hat es - unabhängig von den materiellen Zuwendungen -vor allem unseren Mädchen in Jammu gut getan zu wissen, dass da weit im Westen jemand ist, dem ihr Schicksal nicht egal ist. Wir haben immer versucht, gerade ihnen den Rücken zu stärken. Über ihren relativen Erfolg, das Leben zu meistern, freuen wir uns sehr.

So, dann muss ich mal den nächsten Teil des Berichts angehen.....
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Citronella
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von Citronella »

@ Ville,

ein sehr interessanter Reisebericht über ein mir unbekanntes Land! Klar schaue ich mir Reportagen im Fernsehen an, aber persönliche Eindrücke und Erlebnisse sind doch intensiver. Mir geht es wie Josefine .... außerhalb Europas werde ich nicht mehr kommen in meinem Leben. Aber bei deiner Erzählweise und den Fotos bin ich ganz dabei :> . Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung und danke dir für die Mühe, die du dir machst!

Saludos
Citronella
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Re: Reise durch Gujarat (eher unbekannte Ecke Indiens)

Beitrag von ville »

Citronella hat geschrieben:@ Ville,

ein sehr interessanter Reisebericht über ein mir unbekanntes Land! Klar schaue ich mir Reportagen im Fernsehen an, aber persönliche Eindrücke und Erlebnisse sind doch intensiver. Mir geht es wie Josefine .... außerhalb Europas werde ich nicht mehr kommen in meinem Leben. Aber bei deiner Erzählweise und den Fotos bin ich ganz dabei :> . Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung und danke dir für die Mühe, die du dir machst!

Saludos
Citronella
Die Mühe mache ich mir gerne, Citronella. Einmal, wenn ich weiß, dass es solch dankbare Interessenten/Innen gibt. Außerdem vertieft die Beschäftigung damit das Erlebte noch einmal. Deshalb schreibe ich auch immer Reisetagebuch...

ville
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