Hallo Reisefreaks, Leseratten und Exotik-Interessierte,
wir haben im März/April diesen Jahres eine Ecke Indiens bereist, in der sich nicht so viele Touristen tummeln: den Bundesstaat Gujarat an der südpakistanischen Grenze. Allerdings haben wir bei dieser Gelegenheit noch einen Abstecher in den Norden gemacht, um "unsere" (viele Jahre unterstützte) indische Familie zu besuchen. Zudem wollten wir auf dem Weg nach Südwesten ein wenig in Udaipur relaxen.
( pichichi hatte ja bereits in einem klasse Bericht über Rajasthan u.a. auf diese Stadt hingewiesenen.
( http://www.costa-blanca-forum.de/viewto ... =68&t=6068 )
Vielleicht sucht ihr ja für die langen Abende etwas zum Lesen. Wen es interessiert, den (oder auch sie) nehmen wir in unserem Bericht (eher schon eine Erzählung) mit auf die Reise und geben ihm/ihr ein paar Einblicke in ein so ganz anderes Land, gemessen an unserer Welt .
Den Bericht versuche ich scheibchenweise zu laden. Es gibt nicht nur Bilder, sondern reichlich lesen. Mal sehen, ob die Geschichte bei euch ankommt. Viel Kurzweil dabei !
Gruß ville
Schon wieder nach Indien ? Ein Rückblick auf unsere 5-wöchige Gujarat-Reise 2014
Kein Land haben wir so oft bereist wie diesen Subkontinent. (Jedenfalls, wenn wir Mittel- und Südeuropa mal weglassen)
Nach Touren durch verschiedene Regionen Indiens wollten wir bereits kurz nach der Jahrtausendwende auch eine Reise durch den Bundesstaat Gujarat machen, aber ein vernichtendes Erdbeben hatte 2001 in der Region um Bhuj rund 20.000 Menschenleben gekostet und heftige Zerstörungen verursacht. Dahin wollten wir dann erst mal nicht......
Na ja, und da ist auch noch „unsere“ Familie in Jammu, die ich während der inzwischen 35 Jahre unseres Kontakts 8 mal besucht habe, Margot immerhin 6 mal.
Im Okt. 2013 landete ein Reisebericht von Freunden aus London im virtuellen Briefkasten. Paola und Carmine hatten wir einst in Zentral-Indien getroffen, und sie sind ebenso fasziniert von diesem Land. Ihr Bericht über Gujarat klang fast euphorisch.
Margot googelte spaßhalber mal Flugpreise, und ein beinahe unwiderstehliches Angebot für einen Gabelflug Valencia- Istanbul- Delhi sowie zurück aus Mumbai löste bei ihr emsiges Recherchieren aus.
Nun wollten wir einen der wenigen weißen Flecke auf unserer Indien-Karte beseitigen, vorher aber noch unsere Familie besuchen. Impfungen brauchten wir keine, und allzu viel besorgen mussten wir auch nicht. Lediglich die Visa-Prozedur über Madrid bedeutete einigen Aufwand.
Am 26.2. geht die Reise dann endlich los. Nach angenehmen Flügen mit Turkish Airlines sowie Jet Airways ab Delhi erreichen wir einen Tag später Jammu, die Hauptstadt des Bundesstaats Jammu & Kashmir. Kaum jemand in unseren Breiten kennt die zweitgrößte Stadt dieses Staats an der Flanke des Himalaya, obwohl sie weit über eine halbe Million Einwohner hat. Nur ein paar Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt, war sie häufig von den Ereignissen rund um den Kashmir-Konflikt betroffen, und wir selbst mussten im Jahr 2000 während eines Ausnahmezustands eine Woche im Haus Ashoks, eines alten Bekannten, verbringen.
![Bild](http://fs1.directupload.net/images/141206/ipixo4no.jpg)
Jammu
Eine Unterkunft hatten wir bereits gebucht, und für die nächsten Tage wohnen wir im Colonels Retreat Home, einem feinen „Bed and Breakfast“, ca. 4 km entfernt vom Stadtteil Panjtirthi.
Dort hatten wir im August 1978 bei der Rückkehr aus dem Himalaya mit unserem klapprigen alten Benz 200 D die Raina-Familie in einem Hinterhof aufgestöbert. Die Adresse hatten wir von Kumari (meiner späteren indischen Schwester) und ihren beiden Töchtern im Örtchen Kud erhalten, als wir ihnen erstmals begegneten. Da waren wir auf dem Weg nach Kashmir und Ladakh.
![Bild](http://fs1.directupload.net/images/141206/82dbanz7.jpg)
Mit dem Bild links entsteht fast der Eindruck, eine Prinzessin habe mit großem Pomp geheiratet, aber das täuscht gewaltig. Rechts die Girls neben unserem Auto in Kud in 1600 m Höhe an der Straße nach Srinagar.
Bei der Rückkehr aus dem Himalaya fragten wir uns dann in Jammu durch das Labyrinth der engen Gässchen bis zu dem besagten Hinterhof durch, wo Papa und Mama Raina mit Sunita (8), Anju (7) und Söhnchen Sonu (2) in zwei winzigen Räumen hausten und kaum wussten, wie sie z.B. das Schulgeld für 3 Kinder bezahlen sollten. (Diese Sorge nahmen wir ihnen ein Jahr später ab...)
Inzwischen haben wir kein Problem mehr, die Rainas zu finden. Jai Shanker, der Vater, ist leider vor 3 Jahren verstorben, und jetzt wohnt nur noch Sonu bei seiner Mutter Kumari, weil sie ihn braucht und die Tradition es so verlangt. Die beiden Töchter sind gut verheiratet und haben selbst jeweils 2 Töchter.
Sunita's Hochzeit 1995. (Der Pomp ist geliehen.)
![Bild](http://fs1.directupload.net/images/141207/raa5sf8n.jpg)
![Bild](http://fs1.directupload.net/images/141206/dxc99pfm.jpg)
Die 4 unteren Bilder entstanden im März '14.
Alle leben in relativ gesicherten Verhältnissen. Allerdings in verschiedenen Stadtteilen, so dass wir einen erheblichen Fahraufwand haben, um mal hier und mal da zu Besuch zu kommen. So vergehen die nächsten 6 Tage, während wir Erinnerungen austauschen, kleine Rundgänge machen, alte und neue Fotos anschauen, herumalbern und Probleme diskutieren.
Sie alle sind gläubige Hindus und natürlich Vegetarier. Was sie kochen, schmeckt uns fast ausnahmslos gut, und mit den Gewürzen kommen wir klar. Anju's Mann Satish Bali hat Geburtstag, und wir schenken ihm 2 Hemden. Zu Hause bekommen wir u.a. „Black Forest“, gar nicht mal schlechte Schwarzwälder Torte (natürlich ohne Schnaps)!
Sehenswürdigkeiten gibt es nicht allzu viele in dieser Stadt, aber immerhin besuchen wir das alte Fort über der Schlucht des Tawi River und einen Palast sowie ein College, in dem Sonu eine schlecht bezahlte Stelle als „Computer-Operator“ hat. Außerdem an einem Feiertag einen Hindu-Tempel, wo alle außer uns einen heiligen Schrein umrunden.
Der Verkehr in Jammu's Zentrum ist geradezu überwältigend: Kolonnen von Fahrzeugen schieben sich durch die völlig überlasteten innerstädtischen Straßen, ein Stau folgt dem anderen. Es gibt inzwischen zu viele Pkws, die sich hupend ihre Vorfahrt sichern wollen, aber die flinken 3-rädrigen Motor-Rikschas stoßen in jede frei werdende Lücke, und wo selbst sie nicht mehr hineinpassen, drängeln sich die zahllosen Roller und Motorräder . Manchmal sind wir dazwischen, wenn Sunu uns Beide auf sener 125er Honda transportiert, oder wenn wir einen "Threewheeler" nutzen (Dreirad-"Taxi").
![Bild](http://fs1.directupload.net/images/141207/gmhvuni7.jpg)
Die Luftverschmutzung ist unbeschreiblich und der Lärm ebenso. Weil praktisch fast keine Verkehrsregeln beachtet werden und man stets mit aller Art von Hindernissen rechnen muss, kündigt jeder sein Drängeln mit ständigem Hupen an. Das wir praktisch verlangt. Auf allen LKWs steht hinten für Überhol-Willige : "Horn please" . Welch ein Spektakel ! Des öfteren greifen wir nach einem Luftfilter, z.B einem Halstuch.
Aber natürlich gibt es auch ruhige Ecken in der Altstadt und an der Peripherie, wo man das (meist immer noch quirlige) Leben auf sich einwirken lassen kann.
Am vorletzten Tag treffen wir uns allein einem feinen Restaurant (na ja...) und essen lecker . Leider ist Anju's Mann Satish nicht dabei. Er muss sich um seine Geschäfte kümmern.
Abends müssen wir uns verabschieden, und es gibt auch ein paar feuchte Augen. Werden wir uns je wieder sehen ?
Am anderen Morgen kommt Sonu noch auf seinem Motorrädchen zum Colonel Retreat, winkt uns nach, als wir uns in einer Motor-Rikscha zum Airport aufmachen. Wir haben ihm ein Päckchen Rupien in die Hand gedrückt, das er widerstrebend nimmt. Sie seien auch für Kumari's Medikamente, denn sie ist nicht mehr „so gut drauf“, hat Magen- und andere Probleme.
Wir fliegen zurück nach Delhi und kurz darauf weiter nach Udaipur. (Soweit der "Vorspann" des Berichts)
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