Um 19.45 Uhr begann die erste von vier Prozessionen in Cocentaina, die im Abstand von einer Viertelstunde von den einzelnen Pfarrkirchen ausgingen. Wir hatten uns für die Kirche „El Salvador“ im ehemaligen maurischen Stadtteil entschieden und hörten schon von draußen Musik erklingen. Gespannt betraten wir die Kirche. Hier erwartete uns keine feierliche, düstere Karfreitagsstimmung. Vor dem Altar sang sich noch der Chor ein, begleitet von Musikern. Es wurde gescherzt. Damen der oberen Gesellschaftsschicht mit schwarzen Mantillas stöckelten aufgeregt zwischen Sakristei und Kirchplatz hin und her, um vor der Prozession schnell noch eine Zigarette zu rauchen.
Es wurde dunkel. Auch vor der Kirche „Virgen del Milagro“ stand inzwischen der Paso des gebeugten Jesús Nazareno mit seinem schweren Holzkreuz bereit. Die Prozessionen zogen durch ihre Stadtviertel. Zuschauer im Sonntagsgewand säumten die Straßenränder, die Bewohner der anliegenden Häuser konnten bequem von ihren Balkonen herabschauen. Wer selbst nicht mitmachte, schaute wenigstens zu. Die Haustüren standen offen, die Wohnungen waren beleuchtet und gaben einen Blick ins Innere frei. Schaufenster waren mit Bildern geschmückt: Jesus mit Dornenkrone, das letzte Abendmahl, kunstvoll geflochtene Palmas Blancas aus Elche zwischen Sportschuhen, Unterwäsche und Lebensmitteln…
Alle Prozessionen trafen sich später auf dem Marktplatz, bevor sie in ihre Pfarrkirche zurückgingen, wo der feierliche Abschluss statt fand.
Fromme, in sich gekehrte Büßer haben wir an dem Abend nicht erblickt, eher Menschen, die sich freuten und stolz darauf waren, an dem Umzug teilnehmen zu können. Spanische Lebenslust!
Nazarenos in ihren gelben Gewändern hatten ihr Kapuzen noch nicht aufgesetzt, denn darunter ist es stickig warm. Vor der Kirchenpforte telefonierten schnell noch einige Teilnehmer ihre fehlende Kameraden zusammen, die dann tatsächlich kurz vor 20 Uhr aus allen Himmelsrichtungen im Laufschritt vor der Kirche eintrafen.
Auf dem Kirchplatz stand schon das Gestell für den schweren Thron, den Paso, bereit. Die Kinder kamen als erste aus der Kirche, Jungen zogen Mädchen an den Röcken und bekamen dafür so manchen Puffer zurück. Doch da kam er schon - der schwer Paso, geschultert von etlichen Männern, die ihn mit vor Anstrengung roten Köpfen zu dem Gestell trugen. Dort hatte die Schlepperei ein Ende, denn das Gestell hatte Rollen, die unter dem herabhängenden Stoff verborgen waren. Noch einmal tief Luft geholt, denn jetzt mussten die Nazarenos ihre Kapuzen aufsetzen und die Prozession setzte sich im Gleichschritt in Bewegung, an deren Schluss der Geistliche ging. Wir wechselten zur Parroquía Santa Maria, im christlichen Viertel, wo nun die Hauptprozession ihren Ausgang nehmen sollte. Aber noch war es nicht so weit, die Christusfigur in einem Glassarg stand noch in der Kirche. Der Menschenauflauf war hier entschieden größer, mehrere Bruderschaften mit verschiedenfarbigen, bestickten Gewändern und Musikkapellen warteten vor der Kirche, jede Cofradía hatte seinen eigenen Paso. Aus einer Gasse kam ein Kinderchor. Die Kinderaugen schauten aufmerksam auf ihren Dirigenten und sangen voller Inbrunst.
Pünktlich mit der Prozession zu beginnen war scheinbar nicht so wichtig, die kleine Zeitverzögerung kann wieder rausgeholt werden, wenn man später einen Schritt schneller geht. Doch irgendwann wurde es ernst. Die Nazarener setzten ihre spitzen Hüte auf, die Beleuchtung der mit Blumen und Gold verzierten Throne wurde eingeschaltet und der Zug setze sich langsam in Bewegung. Auch hier hatten die Gestelle, die die Pasos aufnahmen Rollen, so dass die vermummten Nazarener den schweren Thron nicht tragen mussten, sondern ihn bequem durch die Gassen rollen konnten. Karfreitagsprozession in Cocentaina
- Oliva B.
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Karfreitagsprozession in Cocentaina
Saludos,
Elke (Oliva B.)
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Re: Karfreitagsprozession in Cocentaina
Toller Bericht, Oliva.
Dass auch kleine Kinder im Büßergewand unterwegs sind, hätte ich allerdings nicht gedacht.
Dass auch kleine Kinder im Büßergewand unterwegs sind, hätte ich allerdings nicht gedacht.
Re: Karfreitagsprozession in Cocentaina
Hallo Oliva,
vielen Dank für die interessanten Einblicke.
Gruß
girasol
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Gruß
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Die Welt ist ein Buch und wer nicht reist, liest davon nur eine Seite.
Aurelius Augustinus
Aurelius Augustinus
- Citronella
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Re: Karfreitagsprozession in Cocentaina
Hallo Oliva,
bis jetzt konnten wir uns noch nicht aufraffen, eine der vielen Prozessionen zu besuchen, da sie meist in den späten Abendstunden stattfinden und über Stunden gehen. Dein Bericht macht doch Lust darauf, vielleicht nächstes Jahr. Danke dafür!
Saludos
Citronella
bis jetzt konnten wir uns noch nicht aufraffen, eine der vielen Prozessionen zu besuchen, da sie meist in den späten Abendstunden stattfinden und über Stunden gehen. Dein Bericht macht doch Lust darauf, vielleicht nächstes Jahr. Danke dafür!
Saludos
Citronella