Atze hat geschrieben: ↑Do 11. Aug 2022, 13:10
Ein "vernünftiges Mittel" ist aber jedes, dass einen Erfolg gegen den Angriff verspricht. Du musst nicht mir ungeeigneten Mitteln anfangen und dich dann langsam bis zu einem erfolgreichen Mittel steigern. Stattdessen darf das Mittel von vornherein geeignet sein, den illegalen Angriff zu stoppen.
UND:
Bereits das widerrechtliche Eindringen in deine Wohnung stellt einen illegalen Angriff dar, gegen den du dich wehren darfst.
Das würde ich so nicht unterschreiben.
Fiktives Szenario: Jemand steigt nachts in mein Haus ein, und ich greife zum Jagdgewehr und baller ihm das Hirn raus. Fiktiv allein schon deswegen, weil ich in der Realität einen nächtlichen Einbruch einfach verschlafen habe, obwohl der Übeltäter mitten durch das Zimmer gewandert ist, in dem ich lag.
An die Wand spritzendes Hirn verspricht einen sofortigen und unzweifelhaften Erfolg gegen den Angriff, dürfte aber kaum in Straffreiheit münden, denn statt von "vernünftig" spricht man normalerweise von "verhältnismäßig". Und Hirn rauspusten vs Einbruchdiebstahl ist durchaus reichlich unverhältnismäßig, auch wenn Bruce Willis das vielleicht geringfügig anders bewertet.
Etwas weniger unverhältnismäßig mag es sein, wenn ich ihm ins Bein schieße, und er dann winselnd wie ein räudiger Schakal mit meiner Schmuckschatulle unter dem Arm auf meinem Bettvorleger qualvoll verblutet, weil ein größeres Gefäß im Oberschenkel zerfetzt wurde. Ich bin ja kein Anatom, woher soll ich wissen, dass er dabei draufgehen kann?
Möglicherweise würde ein findiger Anwalt mir jedoch einen Strick daraus drehen, dass ich prophylaktisch ein geladenes Jagdgewehr neben dem Bett stehen habe. Blutrausch, Tötungsabsicht, Mordlust und immer wieder das Wort unverhältnismäßig..... Das letzte Wort hat dann der Richter. Und darauf verlasse ich mich lieber nicht.
Bei der Notwehr/-hilfe in Deutschland ist es ja ganz ähnlich. Wenn ich gerade vom Baseball-Training komme und sehe, wie ein Schurke an der Straßenecke mit einer Omi um deren Handtasche kämpft, wäre es ein zur Abwehr des Angriffs absolut geeignetes Mittel, ihm mit dem Schläger den Schädel zu spalten. Aber auch das wäre nicht verhältnismäßig.
In jedem Fall wandelt man nach meiner Empfindung auf dünnem Eis, wenn man zu Mitteln greift, die zwar in Erfolg münden, die man jedoch gemäß seiner geistigen Reife als unverhältnismäßig erkennen müsste.
Außerdem ist es mW so, dass ein Rücktritt vom Angriff bereits die Notwehrsituation auflöst. Wenn also der Übeltäter glaubhaft versichern kann, dass er eigentlich flüchten wollte, ihm dieser gestörte Deutsche aber trotzdem eins übergebraten hat, dann wird es plötzlich selbst bei verhältnismäßigen Mitteln kompliziert. Was war zuerst da? Flucht oder Gegenwehr?
Das Thema ist durchaus heikel und ich war nach meinem Erlebnis auch zwiegespalten. Einerseits sagte der Kopf, dass es wohl besser war, einen Einbruch zu verschlafen als dem Täter schlaftrunken gegenüberzutreten, andererseits war ich aber total wütend darüber, nicht aufgewacht zu sein, um ihm mit irgendwas im Blutrausch eine bleibende Erinnerung zu verpassen, unabhängig von den Konsequenzen und allem, was ich gerade zum Thema geschrieben habe.
