Im Hochsommer von 1979 kurvten wir beim Erstbesuch in Wahnsinnsmanier rund um die iberische Halbinsel, waren doch Urlaubstage rar und der Geldbeutel der damaligen späten Twens wie immer schwach gefüllt. Trotzdem wollte man endlich Spanien erstmals sehen und auch der noch jungfräuliche Scirocco GTi drängte auf Auslauf, am Programm sollten klassische Orte wie Granada, Cordoba, Sevilla, Madrid, Aranjuez, Bilbao, Barcelona und nicht zuletzt Toledo stehen.
Aus dem ohnehin heißen Andalusien anreisend kamen wir gegen 22:00 unterhalb des
casco viejo, der Altstadt Toledos an der Tajoschleife, an, beim Bestellen des Abendessens hatte es noch immer satte 41°!
Dezember 2014: ganze 35 Jahre später steuern zwei wesentlich gesetztere
jubilados die Stadt aus dem Südosten an, die seit nunmehr 16 Jahren an der Costa Blanca einen Zweitwohnsitz haben. Auf der an diesem 4. Adventsonntag einsamen A 31 nördlich von Villena hat die Polizei als Teil der
operacion navidad an diesem sonnigen, aber ungewohnt kalten Morgen eine künstliche Verengung der
Autovia gebastelt, an der sie reihenweise Lenker ins Atemluftmessgerät blasen lässt, das Ganze verläuft flott und professionell und mit 0,0 Promille am Display wird man freundlich zur Weiterfahrt gewunken. Es ist 13 Uhr als wir das Auto in einer Tiefgarage beim trutzigen
Alcazar abstellen und uns in die Altstadt begeben, wo wir zuerst natürlich die prächtig ausgestattete Kathedrale
Santa Maria sehen wollen, da aber gerade eine Messe gehalten wird, ist der Eintritt nicht möglich. Wir ziehen die „pulsera turistica“ vor, ein Kombiticket in Form eines Plastikarmbands (= pulsera), die einem den Besuch von sechs weiteren bedeutsamen Kunst- und Kulturstätten ermöglicht, damit sehen wir in der Kirche
San Tomé das großartige Gemälde von El Greco wieder, das die Grablegung des Conde von Orgaz zeigt, weiters besichtigen wir eine der wenigen ehemaligen jüdische Synagogen, die Klosterkirche
Santa Ursula und eine ehemalige
Mezquita ...und nein, auch diesmal kaufen wir kein Damaszenerschwert und auch keine komplette Ritterrüstung, die in den Touristengassen in unzähligen Läden feilgeboten werden.
Nach dem Auf und Ab in dieser Stadt voller steiler Kopfsteinpflastergässchen ist uns nach einer Stärkung, die wir in Form galizischer Tapas erhalten, zu den
Gambas und dem
Estofado trinken wir das gute lokale Bier und ein Glas Wein. Wenig später beginnen wir einen mit Audioguide begleiteten Rundgang durch ein Bauwerk, das ich von der Ästhetik wie vom katholischen Pomp her gleich hinter den Petersdom in Rom reihe. Die verarbeiteten Materialien sind erstklassig, Marmor, edle Hölzer im Chorraum, gefärbtes Glas und vergoldete Schnitzarbeiten am Altar sprechen für sich, eine originelle Lösung zur indirekten Beleuchtung einer Muttergottesplastik an der Altarrückseite hat der Architekt in Form eines Durchbruches des östlichen Kirchenschiffs gefunden, die er mit Halbplastiken menschlicher Torsi eingerahmt hat. An die 15 Kapellen passiert man, einen Kreuzgang und eine Schatzkammer voller güldener Monstranzen und anderer kirchlicher Paraphernalia.
Diese geballte Ladung an Kunst zu sehen macht ordentlich müde und durstig, daher nehmen wir noch ein weiteres lokal gebrautes Bier zu uns, diesmal ein edles India Pale Ale namens
Domus Aurea, was wir – durch übliches spanisches Dutzendbier der Sorten
Cruzcampo oder
San Miguel nicht gerade verwöhnt – mit Ehrfurcht und Dankbarkeit goutieren.
Ziemlich am Zahnfleisch erreichen wir nach kurzer Fahrt den der Stadt gegenüberliegenden Parador, den wir ob der grandiosen Aussicht auf ganz Toledo als Quartier gewählt haben, als wir dort eintreffen, liegen die oben erwähnten Gebäude in einem milden rötlichen Abendlicht, aber noch schöner erscheinen uns nach einem ausgiebigen Erholungsschlaf später beim Abendessen die Kathedrale und der vom Spanischen Bürgerkrieg bekannte geschichtsträchtige Alcazar wenn sie nächtens von starken Scheinwerfern angestrahlt werden...
Das Diner steht also unter dem Motto
cena con vista bella.
Noch warmes Nussbrot tunken wir in feinstes andalusisches
oleo Estepa bevor wir uns den aus Fisch(
Chipirones) auf schwarzgetintetem Blätterteig bzw. Hirschfilet (
Ciervo) in Burgundersauce bestehendem Hauptgang widmen, dazu trinken wir eine interessante Cuvée aus Sauvignon Blanc und Chardonnay aus der umliegenden Mancha. Die sehr sympathische Bedienung ist von unserem rudimentären Spanisch – Stichwort
hablar muy despacio - ebenso begeistert wie wir von ihrer Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, wir lachen gemeinsam über die spanischen Nachrichtenansagerinnen und deren täglich wiederkehrende Schnellsprechrekordversuche....
Die Speisen schmecken ausnahmslos ausgezeichnet, eine Erfahrung, die wir in den bisher 70 besuchten Paradores (von knapp 100) nicht immer machen konnten, zum Abschluss teilen wir uns noch ein
postre aus Kastanienpüree mit einer himmlischen Vanillesauce, auf der
cuenta finden wir dann auch angemessene Preise, die aber wie überall in diesen staatlichen ****Herbergen nicht gerade niedrig sind.
Das Zimmer hat einen frontalen Blick auf den Pool, der wohl für kälteresistente Nordländer auch im Winter in Betrieb gehalten wird und seitlich einen auf halb Toledo, wir beschweren uns aber nicht, weil wir ja zu einem Sonderpreis von € 85 gebucht haben. Die Ausstattung ist sehr modern, Bidet und getrenntes WC sind selbstverständlich, nur die zusammengestellten Betten stören, was uns aber immer wieder erzürnt ist die Tatsache, dass die Oberdecke unter die Matratze reingestopft wird und mangels Turndown Service selbst mühsam herausgezogen werden muss, man fragt sich, warum diese idiotische Methode in den Tourismusschulen zur Doktrin geworden ist...
Tags darauf geht es südwestwärts durch die Feuchtgebiete der Extremadura mit ihren bereits balzenden und nestbauenden Störchen nach Badajoz, wo wir noch vermeintlich günstigeren Sprit nachfüllen, bevor wir über die Grenze nach Portugal wechseln. Dort werden wir die nächsten drei Tage mit Besuchen von der Hauptstadt sowie dem umliegenden Burgen- und Schlösserland zwischen Queluz, Sintra und Pena verbringen, aber das ist eine andere Geschichte...