Großartiger Bericht! Vielen Dank dafür!
Ich bin vom 14.05 bis 16.06 den Camino Frances gegangen und muss sagen: Das war ein einmaliges Erlebnis.
Ich muss auch gestehen, auch mir gingen die (gelegentlichen) Menschenansammlungen (von Massen kann ich nicht sprechen) etwas auf die Nerven. Gerade die Pilger aus dem asiatischen können dann doch manchmal ein bisschen anstrengend sein. Und die "Camino-Touristen" die sich irgendwo die letzten 5km vor der Stadt vom Reisebus absetzen lassen und dann mit ihren Daypacks zum nächsten Ort "pilgern".
Da stellt man sich dann schon vor, wie das noch vor 20 Jahren gewesen sein muss. Kein GPS-Handy. Keine Herbergen oder Hotels die man vorher online reserviert. Niemand der einem das Gepäck herumfährt... Aber das ist halt der Lauf der Dinge.
Es wäre doch vermessen, als Pilger über andere Pilger zu meckern. Man ist doch schließlich nicht besser oder schlechter. Man weiss doch nicht, warum der andere vielleicht seinen Weg so geht wie er es tut. Und wenn einer der Meinung ist, den Camino als "Wellnesurlaub" machen zu müssen und Spaß daran hat, schön für ihn (oder sie).
Ich habe meinen Weg auf jeden Fall in vollen Zügen genossen. Ich war - obwohl ich den beliebtesten Weg zu einer beliebten Zeit gegangen bin - oftmals mutterseelenallein unterwegs. Habe über Stunden nur eine Handvoll anderer Pilger getroffen. Habe immer problemlos einen Platz zum Schlafen gefunden. Wurde nicht beklaut, hatte keine Probleme mit Wanzen oder ähnliches und das Wetter... naja. Ok. Schneefall im Juni hatte ich jetzt nicht einkalkuliert.
Dafür war die Stimmung in meiner "Caminofamilie" an dem Tag äußerst ausgelassen
Was mir ehrlicherweise aber gefehlt hat, war die Herausforderung. Ich hatte leicht gepackt und mich gut vorbereitet. Bin im Durchschnitt 28km am Tag gelaufen und kam meistens nicht völlig fertig an. Habe nie Hunger leiden müssen oder in irgendwelchen zweifelhaften Gegebenheiten schlafen müssen. Da hatte ich schon erwartet mehr an Grenzen zu kommen.
Jedem der mit dem Gedanken spielt kann ich aber sagen: Das einzige was man braucht ist Zeit. Und ein paar Euro. Dann kann das wirklich jeder, egal wie gesund und fit man ist, schaffen. Eine Bekanntschaft hatte grade eine schwere Krebserkrankung hinter sich und ist dann eben nur 10-15km am Tag gelaufen. Hat dann eben viel Pause gemacht und ihren Rucksack vorrausgeschickt. Und wenn es mal nicht mehr geht, man kann sich immer in den Bus setzen und dann eben in der nächsten Stadt 1-2 Tage erholen.