Atze hat geschrieben: ↑So 3. Jan 2021, 18:00
Meine Meinung: Es ist noch viel zu früh, das "Chaos" zu beurteilen
Zu Fleischhauer fällt mir seine Nachforschung zur Reproduktionszahl von Mitte April ein:
"Ich habe mit Kollegen gesprochen, die sich wirklich mit der Materie auskennen. Keiner konnte mir sagen, wie sich die Reproduktionszahl errechnet. Es sei wahnsinnig kompliziert, sagte einer, das sei eine Wissenschaft für sich. Wahrscheinlich entsteht die Zahl irgendwo in einem Geheimlabor des Robert-Koch-Instituts."
Ab da kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen.
Warum kannst du ihn nicht ernst nehmen?
Fleischhauer hat diesen Satz in genau dem gleichen Stil geschrieben, wie er sonst immer schreibt. Leicht populistisch (wobei ich damit nicht die falsche, negative Belegung dieses Wortes meine), leicht sarkastisch, fast immer zum Nachdenken animierend, gleichzeitig aber erklärend, kritisch und auf keinen Fall politisch geglättet. Ich wünschte, wir hätten mehr Journalisten und Autoren wie Fleischhauer, Steingart, Augstein, Poschardt, nur um einige zu nennen. Um bei Jan Fleischhauer zu bleiben - er unterscheidet sich gravierend von Autoren (und hier will ich keine Namen nennen), die gezielt eine (vor)bestimmte Meinung unter das Volk streuen. Es ist auch kein Wunder, dass er ausgerechnet in Focus publizieren darf, wo es mit der Vielfalt gerade noch einigermaßen funktioniert. In z.B. Zeit Online würde eher keinen Fuß in die Tür bekommen. In die Polittalkshows des Meinungsfernsehens wird er nur noch minimal eingeladen, und wenn, dann v.a. als der Draufschlagonkel.
Dazu passt auch eine junge Äusserung des Herrn Fleischhauer:
„Wenn ich daran interessiert wäre, weiter ins Kanzleramt eingeladen zu werden, würde ich mich mit Kritik an der Impfstrategie auch zurückhalten“.
Zu Beginn der Pandemie hat man das Volk mit dem Begriff "Reproduktionszahl" regelrecht bombardiert. Kaum einer hat mehr gewusst, als die einfache Erklärung: Unter 1 gut, über 1 schlecht. Irgendwann haben sich doch die Leute gefragt, was das eigentlich ist?
Dazu habe ich zwei sehr prominente Beispiele. Einmal diese berühmte Erklärung von Frau Merkel, unten angehängt. Da kann jeder selbst beurteilen, ob er die R-Zahl dann besser versteht oder nicht. Ich bin mir sicher, die Merkel versteht sie gut, erklären kann sie sie aber nicht.
Das zweite Beispiel, das einzig richtige, ist die Erklärung auf der Seite des RKI, des Autoren der R-Zahl. Link angehängt. Und darauf bezieht sich der Satz des Fleischhauer-Freundes.
Und weil mich die Erklärung Merkels eher zu Lachsalven animiert, wende ich mich, als ein wissbegieriger Zeitgenosse, an den Profi. Aber, weil ich kein Mediziner, kein Physiker, kein Virologe, kein Stochastiker bin, bleibe ich auch hier ziemlich ratlos.
Was ist die Reproduktionszahl? Nachdem man kaum überprüfbare, ziemlich beliebige und ungenaue Zahlen genau zusammenzählt und genau bearbeitet, bekommt man eben diese R-Zahl. Versehen mit der Warnung, dass die Fehlerquote ziemlich groß ist und sich eben von katastrophal bis zu sehr gut dehnen kann.
Wenn man sich die Entwicklung dieser R-Zahl in den letzten Tagen anschaut, muss man sich schon fragen, warum sie überhaupt verwendet wird. Teilweise ist sie bei 0,5, dabei kann man sich kaum vor der Infektion retten. Es ist egal, ob hier Feiertagseffekte sind oder nicht. Die Zahl spiegelt gar nichts ab – weder die positive, noch die negative Entwicklung der Pandemie. Und wenn, dann nur sehr langfristig.
So gesehen beschreibt Herr Fleischhauer die R-Zahl noch am besten.
https://www.youtube.com/watch?v=22SQVZ4CeXA
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2 ... Id13985854