London
Verfasst: So 2. Jun 2013, 11:12
Londoner Tagebuch
Sonntag, 26.5.2013
Der Landeanflug im Austrian Airbus bietet an diesem herrlichen Sonntagmorgen Ende Mai einen Prachtblick auf die Docklands, den neuen Shard Wolkenkratzer und die Tower Bridge, etwas später über Wembley das futuristische Stadion, in dem in der Nacht zuvor viele Gelbschwarze weinten und ausgelassene Rote feierten....
Die Immigration geht sehr flott, dann geht es zur „Tube“. Mit der Piccadilly Line zuckeln wir für 5.50 Pfund – einfach, pro Nase - eine knappe Stunde von Heathrow in die City, wo wir am Circus aussteigen und die paar Yards zum Sofitel St. James am Waterloo Place anschließend an die Lower Regent Street gehen. Als Accor Members erhielten wir ein relativ günstiges 4=3 Package, die Lage des Hotels ist perfekt wegen der Nähe zu mehreren U-Bahn Stationen, zur Mall, zu wichtigen Museen und zu vielen Theatern und Restaurants rund um den Leicester Square.
Um 10 Uhr morgens ist noch kein Checkin möglich, daher deponieren wir nur das Gepäck und wandern am Trafalgar Square vorbei zur Charing Cross Road, wo wir unsere online reservierten London Passes und Travelcards für drei Tage abholen. Diese wollen wir erst ab nächstem Morgen verwenden, für den Restsonntag stehen National Gallery und die angeschlossene Portrait Gallery auf dem Programm, die Eintritte sind jeweils gratis, dafür wird unübersehbar für freiwillige Spenden geworben.
Der Kunstinteressierte kommt hier voll auf seine Rechnung, das breite Spektrum von Rembrandt über Rubens, Hals, van Eyck, die Italiener Veronese, Botticelli, Tizian, die Engländer Constable, Gainsborough, Turner sowie die komplette Gilde der Impressionisten mit Seurat, Monet, Manet, Degas, Gauguin und van Gogh begeistern mehr als die Füße nach drei vollen Stunden wehtun.
Aber schon nach einem kurzen Erfrischungstrunk in der Bar geht es weiter über „The Strand“ bis zum Somerset House, die dortige Courtauld Gallery werden wir erst am Mitwoch sehen, daher wenden wir uns zur Themse hin, wo die Ausflugsboote emsig ihre Runden drehen, vom Südufer grüßt unübersehbar das Riesenrad London Eye. Nachdem wir seit der Topfengolatsche im Flieger noch nichts Anständiges gegessen haben, fallen wir ins „Clarence Pub“ nahe dem Trafalgar Square ein, wo wir zu „Fish & Chips“ ein belgisches „Leffe“ und ein englisches Pale Ale namens „Naked Women“ trinken, letzteres wurde traditionell lauwarm serviert, schmeckte aber trotz Bitternote im Abgang nach grünen Äpfeln.
Am Abend testen wir den Roomservice im Hotel, die Tagliatelle mit Sauce Bolognaise schmecken leider fad, erst mit einer gehörigen Prise Pfeffer werden sie essbar, dafür sind die Jakobsmuscheln perfekt gebraten und auch vom Samuel Smith Ale dazu sind wir angetan.
Montag, 27.5.
Ein weiterer Prachttag. Am Morgen gehe ich um die Ecke in ein Lokal der „pret a manger“ Kette und kaufe Mandelcroissants herrlich frisch aus dem Ofen, den Earl Gray dazu nehmen wir am Zimmer ein, bevor wir in den zweiten Tag starten, die Engländer zelebrieren ihn als Bank Holiday, übrigens schon der zweite im Mai. Mit der Bakerloo und der District Linehaben wir die Station Westminster schnell erreicht, die Schlangen vor der Abbey sind morgens um 10 Uhr noch kurz, die Besichtigung dieses gotischen Prachtbaus, in dem viele bedeutende Persönlichkeiten Großbritanniens bestattet und dessen Herrscher gekrönt wurden, findet ihren Höhepunkt in der großartigen Lady Chapel Heinrichs des VII.
Wegen eines Marathons findet keine Wachablöse vorm Buckingham Palace statt, trotzdem warten dort die üblichen Menschenmassen, wir aber wurden vom Concierge vorinformiert und statten dafür der nahen Queen`s Gallery einen Besuch ab, bevor wir zurück zur Themse wandern und an der Pier von Westminster unsere Bootsrundfahrt mit den Citycruises beginnen. Der Riesenpott für bis zu 500 Paxe legt nach kurzer Fahrt am rechten Ufer beim London Eye an, um dann themseabwärts zum nächsten Halt am Tower zu schippern. Dort ist ebenfalls viel los, aber wir brauchen keine (superteuren) Tickets lösen, nach dem Scannen unserer Pässe sind wir auch schon drin, steigen auf die Festungsmauern und haben einen herrlichen Blick auf die Tower Bridge und den beherrschenden White Tower, beim Anstellen zum Besuch der Kronjuwelenabteilung zeigen die Einheimischen, dass das disziplinierte „queueing“ eine britische Institution ist, lediglich die üblichen Verdächtigen aus Südeuropa versuchen, sich irgendwo reinzudrängen, werden aber höflich auf die „Line“ hingewiesen oder von den kräftigen Beefeatern zur Raison gebracht.....
Eine gute Stunde dauert es bis wir vor den Pretiosen stehen - oder besser: am Laufband fahren – aber auch nach 30 Jahren ist man immer noch fasziniert von „Brüllern“ wie Koh-i-Noor, Cullinan II oder Black Prince Ruby, die in verschiedene Kronen, Szepter oder Orbs (Reichsäpfel) eingearbeitet wurden.
Wir steigen anschließend wieder in unseren Citycruiser und fahren an den hypermodernen Wolkenkratzern des neuen Finanzviertels in den ehemaligen Docks vorbei, am Ziel Greenwich, wo die frisch renovierte Cutty Sark herübergrüßt, wenden wir und fahren bei tüchtigem Wellengang zurück zum Anleger an der Westminster Bridge. Mit der Tube sind wir bald am Circus und wandern zum Leicester Square, wo sich die Premierenkinos reihen, ebenso wie unzählige Clubs und Restaurants, wir aber gehen in den Untergrund, in einem Asiaten nehmen wir ein feuriges, aber für Londoner Verhältnisse günstiges Dinner ein, es gibt Gyoza als Vorspeise, dann Nudeln mit Teriyakigarnelen und Curryreis, begleitet von japanischem Asahi Bier. Vor dem Odeon Kino demonstriert lautstark die rechtsradikale England Defence League, Sondereinheiten der Polizei haben die Situation aber unter Kontrolle.
In einem Sweetshop am kurzen Heimweg dürfen wir Makronen probieren und nehmen gleich ein paar als Betthupferl mit.
Dienstag, 28.5.
Endlich original London Wetter: es schüttet in Strömen, daher wird das nichts mit dem geplanten Ausflug nach Hampton Court, dem Lieblingsschloss Heinrichs des VIII. Anstatt dessen fahren wir mit der Piccadilly Line nach Knightsbridge, zum Konsumtempel Harrods, der mit dem Motto: „Wir führen alles, und was es nicht gibt, wird besorgt.“ sehr selbstbewusst wirbt. Natürlich staunen wir über Luxusgegenstände der renommiertesten Hersteller, über rosa Diamanten aus dem australischen Kimberley, über Straußenlederhandtaschen von Vuitton und Tourbillons von Patek Philippe, die Kreditkarte zücken wir aber erst in der Food Abteilung im Keller, wo wir an Alaska King Crab und Gravad Wildlachs sowie einem neuseeländischen Sauvignon Blanc fürs in-room-dinner nicht vorbeikönnen...und ja, ein Panna Cotta und ein Mangoschokomousse für danach dürfen auch nicht fehlen.
Bevor wir ins British Museum fahren deponieren wir die Nahrungsmittel im Zimmerkühlschrank.
Als wir dann in Holborn aussteigen hat wieder Starkregen eingesetzt, im Museum ist entsprechend viel los, aufgrund der ausgedehnten Räumlichkeiten verteilen sich die Besucher aber ganz gut, Fotografieren ist im Gegensatz zu vielen anderen Museen erlaubt und ich banne ägyptische Pharaonen, assyrische Löwen, griechische Karyatiden, Metopen vom Parthenon, römische Kaiser und einen von der Osterinsel gestohlenen Moai auf Digitalfotos.
Die Courtaulds Gallery wird erneut gestrichen, der Vergleich der Luxuskonsumtempel lockt uns ins Fortnum & Mason, hier wird auf Stil großer Wert gelegt, das männliche Personal agiert distinguiert im Cut! Die Teeabteilung gleich am Eingang wartet mit unzähligen Sorten auf, die in Winzigbechern zum Kosten serviert werden, daneben locken Krug Champagner, Imperial Caviar, Foie Gras und vor allem wohlgefüllte Picknickkörbe ab € 600 aufwärts.....
Fazit: Das Duell der Purveyors to Her Majesty´s Court und anderer bürgerlicher Hedonisten geht nach unserem Dafürhalten remis aus, vielleicht mit minimalen Vorteilen für F&M.
Mittwoch, 29.5.
Die Wetterprognose ist zutreffend, der Himmel „cloudy, with occasional spells of rain“, dies dürfte offenbar die Standardprognose für die Insel sein. Morgens ist es nur bewölkt, daher auf ins Lustschloss Heinrichs des VIII! Auf der eineinhalbstündigen Hinfahrt nach Hampton Court nehmen wir die U-Bahn bis Richmond und dann den lokalen Bus R 68. Wir brauchen wieder keine Tickets, unsere London Pässe ersparen uns das Anstellen und schon pilgern wir durch die opulent ausgestatteten Prunkgemächer, Fotografieren ist leider wieder einmal verboten, aber wir sind beeindruckt von moderner Museumspädagogik, die sich im geschickten Einbinden von Kindern manifestiert, die mittelalterliche Karten- und Brettspiele austragen und originalgetreue Kostüme des Hofstaats anziehen dürfen.
Im Riesenpark zur Themse hin gibt es Springbrunnen, Teiche und Wasserfälle, ein Labyrinth, Barockgärten und die Möglichkeit, eine Runde in einer Kutsche zu drehen, die von stämmigen Quarterhorses gezogen wird.
Als wir nach dem Besuch aus dem Schlossareal treten, geht die Pisse von oben schon wieder los, wir hasten über die Brücke zum nahen Bahnhof Hampton Court, von wo wir mit Southwest Rail in einer knappen halben Stunde zur Waterloo Stationgelangen, mit der City Line unterqueren wir die Themse, steigen in der Bank Station um und fahren noch eine weitere Station zur imposanten Saint Paul´s Cathedral. Auch hier ist beim Eintreten für London Pass Inhaber „jumping the queue“ erlaubt, wenn auch wieder kein Fotografieren. Nach einem Rundgang schenken wir uns die 237 Stufen zur „Flüstergalerie“, steigen aber noch in die Krypta, wo Lord Nelson und der Duke of Wellington ihre Marmorsarkophage haben. An der Wand finden sich Zeichnungen, Bilder und Fotos der 1400-jährigen Geschichte dieses sakralen Platzes, unter anderem mit den Zeitmarkierungen des Großbrandes von 1666, dem „Blitz“ im 2. Weltkrieg und der Hochzeit von Charles und Diana anno 1981.
Was fehlt noch? Ach ja, die Courtauld´s Gallery im Somerset House mit ihrer kleinen, aber feinen Privatsammlung von Impressionisten, darunter ein van Gogh Selbstporträt mit verbundenem Ohr und dem meiner Meinung nach schönsten Bild aus Manets Oeuvre, dem Spätwerk „Bar in den Folies Bergére“.
Unser letztes Essen in London sollte etwas Besonderes sein und wir machen uns ins angesagte italienische Lokal vom bekannten Koch Jamie Oliver auf, es war nur eine fünfminütige Fahrt vom Strand mit einem Londoner Taxi zur Upper Saint Martin Lane, unseren vom Kulturmarathon geplagten Füßen waren es die fünf Pfund inklusive Trinkgeld trotz vorhandener Travelcard einfach wert.
Wir waren vom Gebotenen restlos begeistert, als Knofelliebhaber haben wir vier verschiedene Paste in Miniportionen gewählt, wo die Knolle jeweils den perfekten Akzent setzte, die sardische Kellnerin empfahl uns mit einem Vermentino einen trockenen Weißen aus ihrer Heimat, der gut mit den schmackhaften Nudelgerichten harmonierte, das beste Tiramisu seit Jahren beschloss den gelungenen Abend....
Donnerstag, 30.Mai
Die Mandelcroissants mit Vanillecreme aus dem oben erwähnten „pret a manger“ werden wir vermissen, das weiß ich mit Bestimmtheit als ich das letzte Frühstück in London hole, immerhin blieb uns während unseres Aufenthalts das übliche „full English breakfast“ mit gebratenen Eiern, Toast, Würsteln, Blunzenscheibe hell, Blunzenscheibe dunkel, Speckstreifen und gebackenen Bohnen erspart, was mich ungern an unsere letzte Reise auf die Insel erinnert hätte, bei der wir in 14 verschiedenen „Bed & Breakfast“ Häusern täglich diese identische und offenbar aufs letzte Krümel standardisierte Fettbombenmahlzeit einnehmen mussten!
Beim Auschecken wundern wir uns über die beachtliche Liste an Minibarposten, dabei hatten wir doch nur ein Bier und ein Mineralwasser konsumiert, worauf die Lady an der Kassa verschwörerisch fragte, ob wir denn irgendwann Getränke entfernt hätten – ja, wir hatten, als wir unseren Sauvignon Blanc einkühlten, die schlaue Maschine aber hatte das sofort registriert und auf die Konsumationsliste gesetzt, parbleu! Man lernt auf seine altenTage immer wieder dazu.....
Tipps & Infos:
Der London Pass – online unter http://www.londonpass.com zu buchen - für 3 Tage inklusive Travelcard für Bahn, Tube und Bus in den Zonen 1-6, Themserundfahrt und diversen Ermäßigungen kommt auf knapp hundert Pfund, er rentiert sich, weil manche Eintritte (Tower!) exorbitant hoch sind, auch eine Einzelfahrt mit der Tube kostet schon 4.50, trotzdem sollte man sich seine Besuchsliste individuell durchrechnen, weil viele Museen ohnehin gratis sind. Er wird auch gegen Gebühr zugeschickt, das hat bei uns aus unerfindlichen Gründen nicht funktioniert, Refundierung gab es allerdings keine!
Bei der Travelcard ist noch zu beachten, dass sie erst nach der morgendlichen Rushhour ab 9:30 gültig ist, sie kann auch für die Fahrt von Heathrow in die City verwendet werden, falls das Zuschicken funktioniert

Das übliche Vorurteil gegen englisches Essen kann man sich abschminken, natürlich kriegt man überall „Fish & Chips“, Roastbeef oder Lamm in Minzsauce, aber die Multikultistadt London mit ihren 8.5 Millionen Einwohnern bietet ebensolche Küche, wir haben bis auf das etwas fade Hotelessen immer vorzüglich gespeist.
Bequeme UND wasserdichte Schuhe sind ein Muss, auch ein handlicher Knirps und/oder eine leichte regenresistente Windjacke mit Kapuze sollten immer dabei sein. Bei der Themserundfahrt bläst zwar eine kühlende Brise auf dem Oberdeck, aber die UV-Strahlung ist auch bei bedecktem Himmel nicht ohne.