Wenn die Hoffnung hinter Gittern stirbt
Verfasst: Sa 17. Aug 2013, 12:29
Ich lebe im Tierheim, mit vielen anderen Hunden. Ich lebe, aber eigentlich bin ich schon tot. Jeden Tag laufe ich die kurze und dennoch niemals enden wollende Entfernung ab... von der Ecke, in der ich schlafe, bis zu dem Gitter, das mich gefangen haelt.
Zehn Schritte nach rechts, fuenf nach links und vier nach vorne. Ich wiederhole unaufhoerlich und immer wieder nur die gleichen Bewegungen, die niemals enden wollen. Ich gehe ein Stueckchen. Ich halte an. Ich winsele. Ich schnuppere...
Ich belle jeden Tag diesselben Dinge an und ich verteidige, eigentlich nur, um ueberhaupt etwas zu verteidigen, ein Territorium, das ich nicht mal als mein eigenes ansehe, denn.... wer moechte schon Besitzer dieses tristen, traurigen Zwingers sein? Ich fuehle mich tot, seit sie mich verlassen, seit dem Moment, in dem sie mich aus dem Auto geworfen haben.
Aber genau aus diesem Grunde bin ich so sicher, daß ich lebe. Weil ich, ungluecklicherweise, eben auch fuehlen kann.
Ich fuehle Kummer, Trauer, Schmerz und eine unendliche Leere. Manchmal fuehle ich mich, als mueßte ich innerlich erfrieren, manchmal, als wuerde ich ersticken. In diesen Augenblicken, wenn meine Seele einfach nicht noch mehr ertragen kann, dann moechte ich einfach nur ganz weit weg laufen und alles hinter mir lassen, ohne auch nur einen Schritt zurueckgehen zu muessen. Dann mache ich mich auf die Suche nach meinen Erinnerungen und versuche, mich in der Vergangenheit zu verlieren.
Jeder, der mich in solchen Momenten beobachtet, muß glauben, ich sei verrueckt geworden.
Vielleicht sieht man mich, wie ich scheinbar gluecklich durch meinen Zwinger tolle, ohne zu ahnen, daß ich in meine Welt gefluechtet bin, wo ich noch einmal meinem frueheren Herrchen beim Nachhausekommen entgegenlaufe.
Oder vielleicht hoert jemand sogar, wie ich freudig die Wand anbelle, ohne zu wissen, daß ich durch die Mauersteine die Augen meines Frauchens ansehe, das ich niemals werde vergessen koennen.
In diesen Momenten kann alles geschehen.
Vielleicht habe ich mich auf den Boden gelegt, und ich rolle mich herum, einmal und noch einmal und immer wieder, oder ich drehe mich im Kreis, und jede einzelne meiner Pirouetten ist meinen Erinnerungen gewidmet - den Erinnerungen an die Familie, die ich so sehr liebte und die ich verloren habe.
Wie oft habe ich mir gedacht, daß ich alles dafuer geben wuerde, nur eine einzige Sekunde dieses verlorenen Gluecks, das ich damals fuehlen durfte, noch einmal durchleben zu duerfen.
Ich sehne mich so sehr nach den ganz einfachen, schlichten Dingen.... wie einer fluechtigen Liebkosung, einem netten Wort, einem liebevollen Blick, der mich streift. Aber das Bellen eines anderen Hundes, im Tierheim, oder das Miauen einer Katze reißt mich aus meinen Tagtraeumen in die Grausamkeit der Realitaet zurueck.
Und das ist der Grund, warum ich jedesmal so bestuerzt bin, ich jemanden sagen hoere, daß wir Tiere nicht fuehlen koennen, daß wir nicht weiter koennen, nur deshalb, weil wir nicht lachen koennen.
Diese armen Menschen denken, daß nur die Dinge existieren, die sie sehen koennen. Sie irren sich. Niemand hat jemals die Kaelte sehen koennen. Niemand weiß, welche Farbe die Waerme hat, oder die Angst, die Verzweiflung, die Einsamkeit.
Und trotzdem: ein jeder weiß, daß es sowas gibt, weil jeder diese Dinge schon einmal gefuehlt hat. Es gibt so viele Dinge, die wir nicht sehen, die wir aber trotzdem fuehlen! Nur diejenigen, deren Herzen taub und blind sind, haben keine Ahnung, daß die Wirklichkeit eigentlich ausschließlich aus dem besteht, was wir fuehlen koennen.
Und heute, mehr als jemals zuvor, fuehle ich mich verlassen.
Raúl Mérida
Zehn Schritte nach rechts, fuenf nach links und vier nach vorne. Ich wiederhole unaufhoerlich und immer wieder nur die gleichen Bewegungen, die niemals enden wollen. Ich gehe ein Stueckchen. Ich halte an. Ich winsele. Ich schnuppere...
Ich belle jeden Tag diesselben Dinge an und ich verteidige, eigentlich nur, um ueberhaupt etwas zu verteidigen, ein Territorium, das ich nicht mal als mein eigenes ansehe, denn.... wer moechte schon Besitzer dieses tristen, traurigen Zwingers sein? Ich fuehle mich tot, seit sie mich verlassen, seit dem Moment, in dem sie mich aus dem Auto geworfen haben.
Aber genau aus diesem Grunde bin ich so sicher, daß ich lebe. Weil ich, ungluecklicherweise, eben auch fuehlen kann.
Ich fuehle Kummer, Trauer, Schmerz und eine unendliche Leere. Manchmal fuehle ich mich, als mueßte ich innerlich erfrieren, manchmal, als wuerde ich ersticken. In diesen Augenblicken, wenn meine Seele einfach nicht noch mehr ertragen kann, dann moechte ich einfach nur ganz weit weg laufen und alles hinter mir lassen, ohne auch nur einen Schritt zurueckgehen zu muessen. Dann mache ich mich auf die Suche nach meinen Erinnerungen und versuche, mich in der Vergangenheit zu verlieren.
Jeder, der mich in solchen Momenten beobachtet, muß glauben, ich sei verrueckt geworden.
Vielleicht sieht man mich, wie ich scheinbar gluecklich durch meinen Zwinger tolle, ohne zu ahnen, daß ich in meine Welt gefluechtet bin, wo ich noch einmal meinem frueheren Herrchen beim Nachhausekommen entgegenlaufe.
Oder vielleicht hoert jemand sogar, wie ich freudig die Wand anbelle, ohne zu wissen, daß ich durch die Mauersteine die Augen meines Frauchens ansehe, das ich niemals werde vergessen koennen.
In diesen Momenten kann alles geschehen.
Vielleicht habe ich mich auf den Boden gelegt, und ich rolle mich herum, einmal und noch einmal und immer wieder, oder ich drehe mich im Kreis, und jede einzelne meiner Pirouetten ist meinen Erinnerungen gewidmet - den Erinnerungen an die Familie, die ich so sehr liebte und die ich verloren habe.
Wie oft habe ich mir gedacht, daß ich alles dafuer geben wuerde, nur eine einzige Sekunde dieses verlorenen Gluecks, das ich damals fuehlen durfte, noch einmal durchleben zu duerfen.
Ich sehne mich so sehr nach den ganz einfachen, schlichten Dingen.... wie einer fluechtigen Liebkosung, einem netten Wort, einem liebevollen Blick, der mich streift. Aber das Bellen eines anderen Hundes, im Tierheim, oder das Miauen einer Katze reißt mich aus meinen Tagtraeumen in die Grausamkeit der Realitaet zurueck.
Und das ist der Grund, warum ich jedesmal so bestuerzt bin, ich jemanden sagen hoere, daß wir Tiere nicht fuehlen koennen, daß wir nicht weiter koennen, nur deshalb, weil wir nicht lachen koennen.
Diese armen Menschen denken, daß nur die Dinge existieren, die sie sehen koennen. Sie irren sich. Niemand hat jemals die Kaelte sehen koennen. Niemand weiß, welche Farbe die Waerme hat, oder die Angst, die Verzweiflung, die Einsamkeit.
Und trotzdem: ein jeder weiß, daß es sowas gibt, weil jeder diese Dinge schon einmal gefuehlt hat. Es gibt so viele Dinge, die wir nicht sehen, die wir aber trotzdem fuehlen! Nur diejenigen, deren Herzen taub und blind sind, haben keine Ahnung, daß die Wirklichkeit eigentlich ausschließlich aus dem besteht, was wir fuehlen koennen.
Und heute, mehr als jemals zuvor, fuehle ich mich verlassen.
Raúl Mérida