Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Platz für alles, was in keine andere Rubrik des Forums passt und KEINEN Bezug zur Costa Blanca oder Spanien hat
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Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Atze »

rainer hat geschrieben: Aber hat denn nicht schon Paulus an "Gemeinden" geschrieben, mit anderen Worten, an Bestandteile der Urkirche?
Und sind denn Mönche nicht stets Mitglieder eines Ordens, also ebenfall einer quasi-kirchlichen Organisation?
"Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."
Dem hellenistischen Umfeld der ersten Christen entsprechend wurden ihre Versammlungen "Ekklesia" genannt, das heißt ganz einfach Versammlung (z.B. von Bürgern auf dem Marktplatz). Von den Katholiken wird das gerne "Kirche" genannt, von den anderen Kirchen eher "Gemeinde". Diese Gemeinde wählte einen Ältesten (Presbyter) - später auch Bischof genannt - als Vorsteher, der aber zunächst keine übergeordnete Funktion hatte. Mit der Ausbreitung des Christentums erhielten (bzw. nahmen sich) diese Bischöfe, die sich in der Nachfolge der Apostel sahen, zunehmend mehr Weisungsbefugnis. Der Bischof von Rom fühlte sich als Nachfolger Petri den anderen übergeordnet, was besonders im Osten des Reiches nicht anerkannt wurde.

Die ersten Mönche waren zunächst meist Einsiedler. Nach und nach schlossen sich gleichgesinnte zu Gruppen in Klöstern zusammen und gaben sich Regeln, der Papst hatte damit erst mal nichts zu tun. Erst später wurde es erforderlich, dass diese Ordensregeln vom Papst anerkannt wurden. Viele Klöster waren ja auch unglaublich weit weg von Rom oder Byzanz. Das Katharinenkloster auf Sinai z.B. oder die Mönche auf Irland. Die hatten bis zum 8. Jhdt allenfalls gehört, dass es ganz weit weg so etwas wie einen Papst geben soll. Die Klöster besonders in Frankreich wurden auch nicht von Rom aus initiiert. Meist waren es fromme Adlige mit ausreichend Geld oder Gönnern, die gleichgesinnte suchten und ein Kloster gründeten. Die Mönche wählten ihren Abt ja in der Regel völlig unbeeinflusst von Rom, da achteten sie ganz eifersüchtig darauf.
Und vielen passten dann die Regeln oder die Lebensweise dieses einen Klostern nicht: Dann gründeten sie ein Neues.

Auch hier drängt sich der Vergleich zum Fußball auf: Kicker auf dem Dorf schließen sich zusammen und gründen einen Verein. Die sportlichen Regeln dazu müssen sie aber vom DFB absegnen lassen bzw. übernehmen.
Und wenn einem der Verein nicht passt, gründet er halt einen neuen.
LG Atze
Cozumel
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Cozumel »

Atze hat geschrieben:Dem hellenistischen Umfeld der ersten Christen entsprechend wurden ihre Versammlungen "Ekklesia" genannt, das heißt ganz einfach Versammlung (z.B. von Bürgern auf dem Marktplatz). Von den Katholiken wird das gerne "Kirche" genannt, von den anderen Kirchen eher "Gemeinde".
Ecclesia = lat. Kirche
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nixwielos
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von nixwielos »

Klugscheisser-Modus an: https://de.wikipedia.org/wiki/Ekklesia_ ... %A4rung%29 ... und schon wieder aus :d
Viele Grüße von Nicole und Stefan!
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Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Atze »

Cozumel hat geschrieben:
Atze hat geschrieben:Dem hellenistischen Umfeld der ersten Christen entsprechend wurden ihre Versammlungen "Ekklesia" genannt, das heißt ganz einfach Versammlung (z.B. von Bürgern auf dem Marktplatz). Von den Katholiken wird das gerne "Kirche" genannt, von den anderen Kirchen eher "Gemeinde".
Ecclesia = lat. Kirche
Jein: Das Wort ist griechischen Ursprungs, bedeutet "die Herausgerufenen" und bezeichnete im Altertum die Versammlung stimmberechtigter und gleicher Bürger z.B. auf der Agora.
Deswegen wird bei den Katholiken der zutreffendere Übersetzung "Gemeinde" eher vermieden - klingt zu sehr nach Gleichberechtigung.
LG Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Cozumel »

Verstehe. :d
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Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Atze »

Ich möchte euch eine Buch ans Herz legen, das SCHON WIEDER vom Mittelalter handelt. Ich kann es halt nicht lassen zu nerven.
Johannes Fried: Aufstieg aus dem Untergang - Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter
Johannes Fried ist einer der bedeutendsten Mediävisten Deutschlands. Dieses Buch erschien schon 2005 – aber seine Thesen haben weltweit Anerkennung und keinen wissenschaftlichen Widerspruch gefunden.
Bevor ich selbst viele Worte bastele, möchte ich eine Rezension von „Bild der Wissenschaft“ verlinken:
http://www.wissenschaft.de/archiv/-/jou ... Untergang/
Das Buch gibt es bei Beck auch als Taschenbuch.
Jetzt meins:
Fried weist darin an unzähligen Beispielen nach, dass der dem Christentum innewohnende Endzeitglaube ein mächtiger Motor des „Wissenwollens“ war. Zwar heißt es:“Niemand weiß den Tag und die Stunde“, und ein gezieltes Berechnen des Weltunterganges war offiziell verpönt, jedoch wollte man das ganze Mittelalter hindurch die Decke etwas lüften. Jedes Zeichen, jede Katastrophe wurde mit der damals zur Verfügung stehenden Wissenschaft gedeutet. Wenn die erwartete Endzeit um 1000 n.Chr, zum Beispiel nicht eintraf – was hatte man falsch gemacht? – Waren die Planetenkonstellationen nicht genau genug?
Astrologie und Astronomie waren noch untrennbar verbunden. Selbst Newton und Kopernikus erstellten noch Horoskope. Und selbst Newton noch, tief gläubig aber kein Katholik, sah in dem Papst den Antichrist und das Ende der Welt nahen. Unsere ganze Mathematik und Physik wurde – nach griechischen Ursprüngen und durch jüdisch arabische Vermittlung - in den Dienst dieser Berechnungen gestellt und trieb die Wissenschaften vorwärts. Da dieser Endzeit-Motor der muslimischen und jüdischen Welt fehlte, erstarrte dort die Wissenschaft dann auch und blieb im Mittelalter stehen.
Als Wissenschaft und Technik dann im Abendland überlegen wurde, führte das „Wissenwollen“ zu Entdeckungen und Eroberungen nahezu der ganze Erde.
Was nicht im Buch steht und eine Anmerkung von mir ist: Erst die Aufklärung hat dann mit dem Unsinn aufgeräumt, dass die Welt einen Anfang und Ende haben könnte. Bis ca. 1930 galt das Weltall als ewig. Allerdings kam dann ein Physiker und Mönch und wies nach, dass es vor Urzeiten einen Anfang – einen „Big-Bang“ wie seine Kritiker spöttisch sagten – wohl gegeben hat.

…..Jetzt will Atze uns doch tatsächlich einreden, dass das Christentum (zusätzlich zu den ersten Ideen der Menschenrechte) auch noch an unserem modernen Wissenschaftsbild „schuld“ ist. :mrgreen:
LG Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Cozumel »

Atze hat geschrieben: …..Jetzt will Atze uns doch tatsächlich einreden, dass das Christentum (zusätzlich zu den ersten Ideen der Menschenrechte) auch noch an unserem modernen Wissenschaftsbild „schuld“ ist. :mrgreen:
Eher das Gegenteil ist wohl der Fall, wenn man die Verhinderungspolitik der Kirche betrachtet. Die vielen klugen Köpfe die als Ketzer sterben mussten. Sogar Leonardo da Vinci musste sich in manchem der Kirche beugen.

In neuester Zeit mach Geroge W. Bush mit seiner Freikirche der Methodisten von sich reden, die es geschafft haben, dass in vielen konservativen Schulen nun gepredigt wird, dass man die 7 tägige Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen muss.
Wenn es nur ein paar Menschen wäre, könnte man darüber lachen.
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Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Atze »

Cozumel hat geschrieben:
Atze hat geschrieben: …..Jetzt will Atze uns doch tatsächlich einreden, dass das Christentum (zusätzlich zu den ersten Ideen der Menschenrechte) auch noch an unserem modernen Wissenschaftsbild „schuld“ ist. :mrgreen:
Eher das Gegenteil ist wohl der Fall, wenn man die Verhinderungspolitik der Kirche betrachtet. Die vielen klugen Köpfe die als Ketzer sterben mussten. Sogar Leonardo da Vinci musste sich in manchem der Kirche beugen.
Und wieder müssen wir zwischen "Kirche" und Christentum unterscheiden. Die Kirche warnte immer wieder ihre progressiven Gelehrten, dass sie "mehr wissen wollen als ihnen zusteht". Aber der unbändige durch das Christentum eingeimpfte Drang mehr über "die letzten Dinge" zu wissen, ließ sich nicht verhindern. Alle Gelehrten des Mittelalters waren gläubige Christen - wenn auch mit mehr oder wenigen großen Differenzen gegenüber der "Amtskirche". Die war aber weit. Das was z.B, einige Bischöfe zuließen oder gar förderten, war oft meilenweit von der offiziellen Linie entfernt. Schließlich waren auch viele Kleriker Wissenschaftler. Und es gab auch keinen atheistischen Wissenschaftler.
Atheismus war nämlich bis in die Neuzeit undenkbar, es gab auch keinen Begriff dafür. Zu glauben dass es keinen Gott gab, war einfach unvernünftig, alles sprach dagegen. Zweifler bes. an einigen offiziellen Lehrinhalten gab es dagegen mehr als genug.
LG Atze
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Cozumel »

Ich glaube man kann es als sicher ansehen, dass das finstere Mittelalter nicht so finster war, wie man immer angenommen hatte.

Es gab viele Philosophen, Alchemisten und Wissenschftler, die Licht ins Dunkel bringen wollten. Die Gründe waren vielschichtig.
Natürlich waren alle Christen zu dieser Zeit. Da geb ich Atze recht, nur war es lebensgefährlich nicht an Gott zu glauben und "seiner" Kirche nicht zu folgen, ebenfalls.

Wieviele dieser klugen und fortschrittlichen Köpfe also wirklich gläubig waren, sei dahingestellt.
Das Volk allerdings war zum allergrössten Teil gläubig. Wie hätten sie sonst in dem Jammertal überleben können. Es war ihre einzige Hoffnung auf ein wenig Glück und wenn es in der Zukunft im Jenseits war. Das hat die Kirche gut hingekriegt.
Erinnert Euch das nicht auch fatal an die muslemischen Gotteskrieger heute?

Meiner Meinung nach, gab es Fortschritte nicht wegen, sondern trotz der christlichen Kirche.

Man frage sich auch warum nach einem Zeitalter der Fortschrittlichkeit, der tiefe Fall ins Mittelalter passierte.
Cozumel
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Re: Menschenrechte: Ein Kind des Christentums????

Beitrag von Cozumel »

Beispiel Beginn der Regierungszeit von Isabella I. von Kastilien (la cattolica) 1474 bis 1504 und von 1479 bis 1504 als Gattin Ferdinands II. auch Königin von Aragón.

Da endete eine Zeit der Toleranz und Fortschrittlichkeit in Spanien und es begann im späten Mittelalter nochmal eine Epoche der Unfreiheit und gleichzeitig ein Ringen um die Präsenz der Religionen in Europa und dem nahen Osten.
Im 15.Jhd. begann dann auch die spanische Inquisition unter der Ägide von Torrequemada. Interessanterweise wurden dort keine Hexen verfolgt, das war zu unwichtig, man verfolgte Häretiker. eine Vernichtung aller Gegener des neuen Systemes und viele Juden, unfreiwillig!, denn die Judirn waren ein wichtiger Teil der Regierung und des Staates, aber von Rom gefordert.

Bei den Autodafes wusch sich der Klerus jedesmal die Hände in Unschuld und liess nach der Feststellung der Schuld durch die Folterknechte der Kirche, das Urteil duch weltliche Organe erledigen. Damit wollten die feinen Herren nichts zu tun haben.

Zu der Zeit begannen auch die Raubzüge nach Südamerika, dreist als Conquista bezeichnet.

Wiki schreibt:

Der über ein Jahrhundert andauernde Prozess der Eroberung und Erschließung des mittel- und südamerikanischen Festlandes wird als Conquista bezeichnet. In den Augen der meisten Spanier der damaligen Zeit war sie die zeitliche und kohärente Folge der im Jahr 1492 abgeschlossenen Rückeroberung der Iberischen Halbinsel aus den Händen der Mauren (Reconquista).


Das alles geschah im Namen der Christianisierung der Ungläubigen, wobei mindestens so wichtig das Gold dort war und die
Bereicherung (Gouverneursposten und Landbesitz)der niedrigeren adeligen Kreise, die in Spanien keine Aufstiegsmöglichkeiten hatten.
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