Vormittags lag der Ort wie ausgestorben und nur in der kleinen Bar des jungen Antonio hatten es sich ein paar Frauen mit ihren kleinen Kindern gemütlich gemacht. Uns kam es so vor, als schliefe das ganze Dorf - kaum Verkehr und keine Leute in den Gassen. An einem Laternenmast gelehnt sahen wir schon von weitem ein großes, gelbes Blechschild mit dem Hinweis, dass von 16-22 Uhr die Hauptstraße durch den Ort gesperrt ist. Na, ob das hier wohl klappt? So gegen 16:40 dann spazierte einer der Dorfpolizisten zu einem Stück Brachland, wo er zwei Absperrgitter aus dem Gestrüpp holte und damit die Straße absperrte. Na dann, dachte ich mir: „Bier und Chips“, und machte es mir mit einem Carajillo auf der Terrasse von Pablo gemütlich, um die Reaktion der Autofahrer und unserer Dorfpolizisten zu „studieren“. Versuchte der eine, rechts an der Absperrung vorbeizufahren, winkte ihn der Polizist zurück und auch den, der glaubte, sich links vorbeischummeln zu können, hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. So kam es, dass sich nach kurzer Zeit eine ziemliche Autoschlange gebildet hatte, aus der jeder versuchte, möglichst schnell herauszukommen. Nein, es gab keine Umleitungsschilder und Ortsunkundige wären ohne Navi wohl rettungslos verloren. Aber wer lange genug hier lebt, der kennt das schon. Unsere Dorfpolizisten hatten noch alle Hände voll zu tun, denn die Nebenstraßen mussten noch mit Flatterband versehen, damit niemand auf die Idee käme . . .
Um sechs sollte der Zug starten, doch noch sahen wir kaum Kinder mit ihren Eltern und Großeltern.
Jefe zweifelte an meinen spanischen Sprachkenntnissen


Kurzerhand fragte ich den neben mir stehenden Polizisten, der mir bestätigte: „Um sechs Uhr am Rathaus“ Jefe grinste mit dem Blick zur Rathausuhr - der Zeiger stand schon auf 18:10 Uhr. „Hombre! Wie lange lebst du eigentlich in Andalusien?“

Und dann formierten sie 5 Wagen und zwei Fußgruppen und aus den schmalen Gassen kamen die Kinder in Scharen. Dennoch war alles recht überschaubar, denn jedes Kind hatte zu die Möglichkeit, den Königen ganz nah zu sein.
Der Fußgruppe aus vier jugendlichen Fackelträgerinnen folgte die illustre Gruppe von Mickey Maus, Donald Duck, Tiger, Bär und anderen lustigen Tiergestalten. Der Wagen bunter Wegbereiter war die erste Karosse des königlichen Zuges. Rhythmisch, fetzig und vor allem laut schallte die Musik aus eher weniger guten Lautsprechern. Und dann kam der prunkvolle Wagen vom in königliches Blau gehüllten Gaspar. Melchor mit Gefolge war der Nächste und - der war ja wirklich echt, der Balthasar, der kam ja wirklich aus dem Morgenlande. Der braucht sich nicht um verschmierte Farbe kümmern. Zu jeder Carosse gehören Stromaggregate für die Energieversorgung der Lautsprecher und Beleuchtung und den Schluss bildete der Wagen der Engel.
Mit viel lautem Wummtata zog der ganze Zug, die Policia Local mit Blaulicht voran, über die Hauptstraße des Ortes, vorbei an glücklichen Kindern, die mit Begeisterung ihre Süßigkeiten fingen, die ihre Majestäten mit vollen Händen unter die Menge warfen. Als ihre Hoheiten das Rathaus erreicht und von den Balkonen aus huldvoll das Volk grüßten, war die Stimmung auf dem Höhepunkt; alles singt und tanzt und lacht. Aber dann passierte es: Balthasar rutschte der Karton mit den Bonbons aus den Händen und fiel direkt in die unter dem Balkon stehende Menge. Außer, dass sich jubelnde Kinder auf den Kamellesegen stürzte ist Gott sei Dank nichts passiert.
Der Besuch im Rathaus dauerte nicht sehr lange und unter dem Jubel der Bevölkerung bestiegen die Könige ihre Karossen, um in ihre Länder zurückzukehren.
Für die Kinder ging es mit der Bescherung zu Hause weiter; andere zog es bis in den späten Abend hinein in die gastronomischen Etablissements und ohrenbetäubend laut schallt abgehackt die Spanische Nationalhymne. „Mensch Coco, dat passt jetzt aber nicht so ganz. Damit warte besser, bis La Legion in der Semana Santa hier vorbeikommt“

Die Cabalgata de Reyes Magos haben wir schon in vielen Orten gesehen, aber hier in der Comarca del Mármol hat sie uns ganz besonders gut gefallen. Sie war klein und überschaubar und wirklich passend auch für kleinste Kinder
