Experten machen fehlende Voraussicht und zu wenig Personal bei der Ermittlung von Kontakten Infizierter für die Ausbreitung des Coronavirus in Spanien verantwortlich
Dabei berufen sie sich auf eine wissenschaftliche Studie der Singapore University of Technology and Design, die im Mai veröffentlicht wurde und kamen mittels einer Modellrechnung zu dem Schluss, dass die COVID-19-Pandemie in Spanien „theoretisch" bis Anfang September eingedämmt werden könne, siehe
Costa-Nachrichten vom 7.5. oder
Cadena Ser v. 5.5.20.
Doch schon Anfang Juli, nur wenige Tage nach Beginn der "neuen Normalität", begann die Epidemie zu eskalieren. G
estern hat Spanien nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in den letzten vierzehn Tagen eine kumulative Inzidenz von 205,5 Fällen von Covid-19 pro 100.000 Einwohner bekannt gegeben. Vergleichsdaten aus Italien mit 22,2 Fällen, Frankreich 85,1, Deutschland 21,1 und dem Vereinigte Königreich mit 23 zeigen, dass Spanien in Bezug auf Inzidenz, Prävalenz und Mortalität deutlich schlechter abschneidet als die genannten Länder.
Nach Meinung der Experten gibt es nicht eine, sondern mehrere Ursachen dafür, doch die Hauptschuld könne nicht den Bürger angelastet werden. Für die Behörden sei es einfach zu behaupten, es läge am Verhalten der Menschen, wobei besonders junge Menschen mit ihrem Freizeitverhalten gemeint sind. Unbeachtet bliebe vielmehr, dass zahlreiche Fehler bei den Behörden zu suchen seien. Deshalb sollte hinterfragt werden, wer z. B. für die Verhängung des Alarmzustandes zuständig war, ob die Zahl der Tests und Corona-Ermittler ausreichend war und von wem es abhängen würde, eine schnelle Überwachung in den Schulen zu gewährleisten.
José María Martín-Moreno, Professor für Präventivmedizin und öffentliche Gesundheit an der Universität Valencia meint:
"Ich denke, dass es in Spanien nach einer überstürzten Deeskalation eine gewisse Zügellosigkeit gegeben hat, ohne sich bewusst zu sein, dass das Virus noch da ist und noch nicht besiegt wurde.“ Durch die wieder gewonnene Mobilität konnte sich das Virus relativ schnell ausbreiten – nicht nur in Spanien. Spanien habe es jedoch versäumt, Kontakte zu verfolgen, und konnte die Übertragungsketten nicht durchbrechen.
"Für das gesamte Vereinigte Königreich gibt es 25.000 Corona-Tracer (Anm. Pflegekräfte und Ärzte).
wir sollten etwa 20.000 haben, und sind weit von dieser Zahl entfernt", sagt Rafael Bengoa. Die Autonome Gemeinschaft Valencia verfügt über 1.247 Corona-Tracer, zu denen 150 aus der Armee hinzukommen werden, wie Ximo Puig letzte Woche ankündigte.
Länder wie Italien, Griechenland und Portugal mit ähnlichem Klima und einer vergleichbaren Wirtschaft, die vom Tourismus abhängt, würden besser mit der Situation umgehen, so der Vorwurf. In Spanien wurde die Verantwortung nach Beendigung des Ausnahmezustandes von der Zentralregierung auf die Autonomen Regionen übertragen, die jedoch nicht darauf vorbereitet waren, regionale Ausgangssperren zu verhängen. Nun fehle es an rechtliche Mechanismen für die schnellere Umsetzung einer Ausgangssperre in [einzelnen] Ortschaften und Stadtteilen.
"Mit diesen Zahlen kommen wir nicht bis zum Herbst“, meint
Rafael Bengoa, der das Institut für Gesundheit und Strategie (SI-Health) zusammen mit Patricia Arratibel gründete, nachdem er verschiedene verantwortliche Funktionen im baskischen Gesundheitssystem ausgeübt hatte, „Wir müssen sie senken, um zu verhindern, dass das Zusammentreffen des Covid-19 und der Grippe das [Gesundheits]System zum Einsturz bringt.“
Quelle: Las Provincias,
¿Por qué se ha disparado la pandemia en España?, heutige Ausgabe.
Die trügerischen Hoffnungen, die Singapur im Mai geschürt hat, haben sich hier und auch anderswo nicht erfüllt. Die Tatsache, dass Spaniens Gesundheitssystem schon zu Beginn der Pandemie aufgrund der Sparmaßnahmen der letzten Jahre kollabierte, fehlt mir in der Aufzählung der Schuldzuweisungen völlig.