Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

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Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von CBF-Team »

MADRID / SPANIEN (28.03.2011): Wieder macht Spanien mit seiner doppelten Moral Schlagzeilen. Der Staat will Kontaktanzeigen in der Presse verbieten. Doch ist das Werben für käuflichen Sex das Problem oder nur ein Symptom? Im Internet laufen die Geschäfte ungehindert, das Land ist gespalten.

Natürlich lässt sich alles unter „kultureller Differenz“ verbuchen. Zum Beispiel, dass sich an spanische Geschäftsessen zwanglos der gemeinsame Bordellbesuch anschließt; dass die ländlichen Etablissements in Spanien so hell (und fast so häufig) durch die einsame Nacht leuchten wie anderswo Tankstellen; und dass selbst seriöse Zeitungen täglich zwei Seiten Kontaktanzeigen drucken, teils mit phantasiefördenden Abbildungen und detaillierter Auflistung des Sexangebots.

Es gebe eine „Prostitutionskultur“ in Spanien, so der Historiker Jean Louis Guereña, der dem Phänomen eine Studie gewidmet hat, eine Banalisierung und weitgehende Tolerierung des käuflichen Sex. Nach neueren Umfragen hat sich der Besuch von Bordellen und Massagesalons als Teil der spanischen Unterhaltungskultur etabliert. Der heutige Kunde sei nicht mehr alt und frustriert, sondern jung, hedonistisch und ideologisch ungebunden. Die Kontaktanzeigen in der Qualitätspresse (allenfalls das relativ junge Blatt „Público“ lässt freiwillig die Finger von dieser Geldquelle) sind nur eine von vielen Ausdrucksformen dafür.

Gerade an den Kontaktanzeigen in der Presse hat sich jetzt Streit entzündet. Passt es zum modernen Spanien, so die Frage, die gedruckten Sexofferten in den Printmedien zu tolerieren? Widersprechen die anmacherische Sprache und das explizite Angebot nicht den Prinzipien von Gleichheit und Menschenwürde? Immer angenommen, hinter der Mehrheit dieser gedruckten Werbung steckten Menschenhändlerringe und Mafiabanden, die Frauen zur Prostitution zwingen?

Der Staatsrat hat jetzt einen Bericht über den Charakter der Kontaktanzeigen erarbeitet und empfiehlt der Zapatero-Regierung, sie vollständig zu verbieten. Frauen würden darin instrumentalisiert und ausschließlich als Lustobjekt dargestellt. Das Ministerium für Gesundheit, Sozialpolitik und Gleichheit drängt in dieselbe Richtung und will einen „Kalender“ für das Verbot erstellen. Dabei hofft es auf größtmöglichen politischen Konsens und die Zusammenarbeit mit den Printmedien. Mehrere Frauenverbände haben sich der Initiative angeschlossen.


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lamarina
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von lamarina »

und die Damen am Kreisel werden weiterhin geduldet?
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Oliva B.
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von Oliva B. »

lamarina hat geschrieben:und die Damen am Kreisel werden weiterhin geduldet?
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N 332
Nicht nur am Kreisel, sondern auch an den Nationalstraßen stehen diese Mädels strichweise (jetzt weiß ich, woher der Ausdruck kommt! :lol: ) alle hundert Meter.

Ich habe den Anzeigenteil in den Zeitungungen immer geflissentlich überlesen, weil er mich nicht interessierte. Doch vor mir liegt unser Provinzblättchen, wo sich dicht an dicht auf zwei engbeschriebenen Seiten ca. 350 Anzeigen knubbeln, angefangen von „Chica busca Chico“ über “Chico busca Chica“, „Amistad“, „Chico busca Chico“ , „Chica busca Chica“ bis hin zu „Otras Relaciones“ ist alles vertreten.
Periodico.JPG
Nicht dass ich etwas gegen Partnersuche in der Zeitung habe, keinesfalls, doch bei den wenigsten handelt es sich um das, was man früher „Heiratsanzeigen“ nannte. Die heutigen Kontaktanzeigen lassen an Deutlichkeit nichts vermissen lassen. Da sucht der liebe Papa von nebenan, der ab und zu eine Auszeit vom Familienleben braucht, für einen Tag einen dicken, behaarten Partner, oder das unscheinbare Ehepaar von gegenüber, das seine Qualitäten in den höchsten Tönen anpreist, einen jungen Begleiter, um gemeinsam einen Swingerclub zu besuchen.
Und da finde ich, sollte doch mehr Selbstkontrolle herrschen, denn schließlich sind Tageszeitungen keine Sexheftchen und somit auch Kindern zugänglich.
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Florecilla
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von Florecilla »

Sogar in der Service- und Immobilienbeilage der CBN gibt es entsprechende Rubriken - allerdings fein unterteilt. Zuerst kommt der "Heiratsmarkt" mit Partnergesuchen der Generation 60+. Direkt dahinter kommen die "heißen Kontakte". Hier sucht aber nicht das brave Ehepaar von nebenan, sondern es gibt scheinbar nur gewerbliche Anzeigen. Michelle, Tamara und Mariella versprechen alles, was des Mannes Herz begehrt, aber auch die Hausfrau möchte gegen ein kleines Taschengeld mal "total verwöhnt" werden.

Mich stört es nicht, kann ich doch immer noch selbst entscheiden, was ich lese und was nicht. Allerdings finde ich sehr wohl, dass diese Tages- und Wochenzeitungen auf eine entsprechend dezente Wortwahl achten. Die sehr bildhafte Sprache sollte doch auf die einschlägigen "Fachpublikationen" begrenzt sein.
Saludos,
Florecilla (Margit)


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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von nale »

Ja, da muss ich Florecilla recht geben.
Die Anzeigen sind auch nicht das was mich stört. Es ist eher die Bildhafte Sprache, die Kindern zugänglich gemacht wird.
Und bei den Beschreibungen von Oliva kam mir schon ein leichtes Grausen.............

LG Nale
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von kala »

Hallo,
mich stören die Anzeigen auch nicht, allerdings habe ich keine kleinen Kinder und (!!!) die Anzeigen in der CBN und CBZ haben nicht ansatzweise was mit denen in den spanischen Tages und vor allem Wochenendausgaben zu tun. Kein Vergleich. Das wäre so, als ob man Tretauto mit Porsche vergleichen will.

Der Herr Historiker hat aber den neuesten Trend nicht berücksichtigt. Inzwischen anoncieren in Grosstädten Hausfrauen, arbeitslose Frauen, Mütter usw. um zu überleben. Die Kinder gehen in die Schule, der Mann geht um die Ecke in die Bar, damit er nicht stört und die Proffesionellen haben keine Kundschaft mehr.

Der Sex ist in Spanien so billig wie sonst nur noch in Tschechien auf dem Strassenstrich. Die Bordellbetreiber (die mit den richtigen Autos) sind lange weg, es haben inzwischen viertklassige Betreiber übernommen und die Besucher sind auch nicht mehr so wie vor 5-10 Jahren. Wer sich erinnert, damals standen die Parkplätze voll mit Mittelklassewagen und hochpreisigeren, alles gemischt. Heute sind auch den schwach beleuchteten Parkplätzen nur noch wenige Autos zu sehen, vermutlich die, der Angestellten.

Ob es natürlich Sinn macht den zeitungen die Einnahmen abzudrehen bleibt fraglich. Solange es kein ordentliches Gesetz zur Reglung oder zum Verbot von Prostitution gibt, ist das alles eine halbe Sache. Zur Reglung der Strassenprostitution gibt es ebenfalls noch kein Gesetz nur eine Richtlinie, wie die Gemeinden damit umgehen sollen.
lg
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von kala »

Hier noch ein aktueller Beitrag zum Thema. Was wird umgesetzt und für die, die Interesse haben, was kostet es ;-)
offenbar gibt es ja Bedarf, sonst würde diese Branche nicht so gut der Kriese widerstehen können.

http://www.20minutos.es/noticia/1005742 ... as/crisis/
lg
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lamarina
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Re: Demnächst keine Sex-Inserate mehr in Spanien?

Beitrag von lamarina »

Sex-Kontaktanzeigen sollen in Spanien verboten werden

MADRID / SPANIEN (26.05.2011): Die Diskussion zeigt Widersprüche im Umgang mit der Prostitution auf. Mit ihrem Vorstoß, Annoncen für käuflichen Sex aus Spaniens Zeitungen zu verbannen, verärgert Spaniens Regierung vor allem die Verleger. Diese fürchten um eine lukrative Einnahmequelle.

Längst nicht nur die Boulevardblätter, sondern auch nahezu die gesamte Palette der sogenannten seriösen Presse im Land veröffentlicht in ihrem Anzeigenteil täglich Dutzende von einschlägigen Kontaktannoncen: mit Angaben von Dienstleistungen, Tarifen, Telefonnummern und manchmal sogar mit Fotos.

Auch in so renommierten Publikationen wie der als progressiv geltenden Tageszeitung El País oder dem konservativen, Kirche und Monarchie nahestehenden Blatt ABC haben seitenlange Kleinanzeigen für käuflichen Sex einen festen Platz. Nur wenige Blätter, darunter die relativ junge linke Tageszeitung „Público“, verzichten auf diese Einnahmequelle, die der Branche rund 40 Millionen Euro im Jahr einbringt.

Die Prostitution selbst bewegt sich im Land nach wie vor im Bereich einer gesetzlichen Grauzone. Sie ist nämlich weder erlaubt noch verboten. Verfolgt wird, das jedoch mit entsprechendem Nachdruck, lediglich die Zwangsprostitution.

So gehen der Polizei schon seit Jahren regelmäßig Banden ins Netz, die vorwiegend Frauen aus Asien, Afrika und Lateinamerika mit falschen Versprechungen ins Land locken und sie dann zwingen, die Reisekosten auf der Straße oder im Bordell abzuarbeiten. Um die Rechte der Opfer zu stärken und gleichzeitig den Schlepperbanden beizukommen, führte die sozialistische Regierung vor einigen Jahren eine Gesetzesreform ein. So können illegal im Lande lebende Zwangsprostituierte, die bereit sind, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und gegen ihre Zuhälter auszusagen, auf eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung hoffen.

Vor allem die regierenden Sozialisten stoßen sich schon lange daran, dass ausgerechnet dieselben seriösen Blätter, die in ihrem redaktionellen Teil immer wieder die sexuelle Ausbeutung meist illegaler Einwanderinnen anprangern, ein paar Seiten später im Anzeigenmarkt bedenkenlos einschlägige Annoncen publizieren. Nach Ansicht der Sozialisten steckt hinter den meisten dieser Anzeigen Frauenhandel; mit einem Bann von Sexannoncen will man diesem zusätzlich begegnen.

Rückendeckung bekommt die Regierung nicht nur vom Rest der politischen Parteien und von zahlreichen Frauenverbänden, sondern inzwischen auch vom Staatsrat. Dieser hat kürzlich einen Bericht mit dem abschließenden Ergebnis vorgelegt, dass Frauen in solcherlei Anzeigen entwürdigt würden, und empfiehlt ein entsprechendes Gesetz, um diese Form der Werbung zu unterbinden. Die Regierung arbeitet inzwischen an einem zeitlichen Fahrplan zum Verbot der Sexannoncen.

Protest kommt vor allem von den Zeitungsverlegern, die nun den Verlust einer Einnahmequelle fürchten. Sie führen dabei den Umstand ins Feld, dass es sich bei der Prostitution um eine in Spanien nicht verbotene Aktivität handle. Mit Blick auf die Verfassung und die Pressefreiheit habe man daher auch das Recht, solche Anzeigen zu veröffentlichen. Wenn die Behörden das Gewerbe für eine kriminelle Aktivität hielten, dann sollte man die Prostitution selbst und nicht die Werbung dafür verbieten, so das Argument.

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