In diesem Thread fragte Roland (aquario) nach "ursprünglichen und lohnenswerten" Orten im Hinterland von Dénia und hat ergänzt:
Ich meinte damit Orte die vom Tourismus einigermaßen verschont geblieben sind mit einem alten authentischen Ortskern - falls es sowas noch gibt.
So eine Art Romantik Trip

- Romantik oder Armut?
Citronella hat ihm empfohlen, 20 km hinter der Küstenlinie zu suchen, ergänzte jedoch, dass diese Orte mit "Romantik" nichts zu tun haben. Recht hat sie, aber dazu später.
Alle Orte in Küstennähe leben mehr oder weniger vom Tourismus, selbst Dörfer, die für Strandtouristen "ziemlich abseits vom Schuss" liegen.
Ich kann nur für die nördliche Costa Blanca sprechen. Hier habe ich in über mehr als zwei Jahrzehnten festgestellt, dass die meisten Touristen, die eine Inlandstour machen, sich maximal 20 km von der Küstenlinie entfernen.
Genauso sehen das auch die Makler, die Häuser in dieser Entfernung immer noch als "küstennah" anpreisen und die entsprechenden Preise verlangen.
Nachfolgend ein paar Entfernungsangaben für
gemütliche Spazierfahrten, wobei man immer bedenken muss, dass die Straßen, die in das Hinterland der Costa Blanca führen, meist sehr kurvenreich sind und mit Rücksicht auf Beifahrer und Mitreisende nur moderat befahren werden können, das heißt, so eine Fahrt dauert....
Ein paar Beispiele:
- 16 km, 22 Min - Calpe - Jalón
21 km, 29 Minuten - Altea-Guadalest
20 km, 31 Minuten - Jávea- Jálon
In diesem Radius findet man viele hübsche Dörfer wie beispielsweise Jalón (49,33 Ausländeranteil), Guadalest (26,25 Prozent Ausländeranteil), Ràfol d'Amúnia (51,20 Prozent Ausländeranteil) und selbst das relativ schwer erreichbare Tàrbena (30 km) zählt noch 42,64 Prozent Ausländer und sogar Alpatró im Vall de Gallinera hat mit gut 40 Kilometern Küstenentfernung noch einen Ausländeranteil von 21,47 Prozent. Die Hausbesitzer aus Mitteleuropa bringen Geld mit und investieren es in die Verschönerung ihrer Häuser. Gemeinden, die vom Tourismus leben, machen es genauso (BeispieL: El Castell de Guadalest).
Die Hartgesottenen trauen sich hin und wieder noch weiter, doch bei 30 km in westlicher Richtung ist meistens Schluss:
- 33 km, 45 Minuten - Calpe - Castell de Castells
27,5 km, 36 Minuten - Dénia-Adsubia
36,7 km, 46 Minuten - Dénia - Vall de Gallinera
36,7 km, 45 Minuten - Denia - Vall de Ebo
24,6 km, 37 Minuten - Benissa Castell de Castells
34,3 km, 51 Minuten - Benissa-Costa - Castell de Castells
30,1 km, 43 Minuten - Benissa - Tàrbena
Doch selbst das ist für mich noch nicht das wirkliche "Inland", denn das fängt für mich erst dort an, wo man keinem ausländischen Kennzeichen mehr begegnet und einem innerhalb einer Stunde nur einen Handvoll Fahrzeuge entgegen kommen. Wer bis dorthin vordringen will, sollte sich schon früh morgens auf die Socken machen, damit sich die weite Anfahrt lohnt. Naturliebhaber kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten - Beispiele:
- 41,5 km, 54 Minuten - Dénia -Alpatró (im Vall de Gallinera, viele Briten))
47,4 km, 57 Minuten - Denia -Vall d'Alcalà (Ausländeranteil 9,09 Prozent)
Und spätestens dort hört es mit der Blumenpracht und den schön renovierten Häusern auf:
Weiße Dörfer wie in Andalusien findet man im Hinterland der Costa Blanca nicht.
Die alte Häuser wurden mit viel Naturstein erbaut oder in erdigen Farben verputzt. Sie gruppieren sich um die Kirche, die oft auf den Ruinen einer alten Moschee aufgebaut wurde. Sie beherrscht das Dorf und wirkt manchmal von Weitem Angst einflößend und dominant.

- Zentraler Punkt: die Kirche

- Religion und Kirche gehören zum dörflichen Alltag

- genauso wie der Kalvarienberg
Auf dem Kirchplatz befindet sich meistens auch die einzige Bar des Ortes, die einfache Gerichte der regionalen Küche serviert. Gourmets werden hier selten fündig. Meistens ist die Bar ein dunkler Raum mit Bahnhofsatmosphäre und ein bis zwei Fernsehern, die in den Ecken hängen. Im Hochsommer stehen vor Tür auch schon mal ein paar Tische und Stühle mitsamt Sonnenschirmen (für die Touristen), denn Spanier sitzen zur Mittagszeit halt gerne drinnen.
Oft findet man im Zentrum dieser Dörfer auch die "pompösen" Häuser des früheren Landadels, die Anführungszeichen deshalb, weil auch die nicht mehr wirklich prunkvoll sind, sondern verfallen, wenn sie nicht von der Gemeinde für öffentliche Zwecke renoviert, von Ausländern aufgekauft wurden oder als "casa rural" den ländlichen Touristen Unterkunft bieten. Diese Häuser, fern vom Meer, sind bei den spanischen Bergwanderern sehr beliebt, Ausländer wird man aber kaum unter den Gästen finden.
Die wenigsten Dörfer der Marina Alta können ihr geschichtliches Erbe verleugnen: In ihrer Nähe befindet sich oft ein Berg mit einer Burgruine. Und die ist fast immer islamischen Ursprungs - eine bleibende Erinnerung an den Exodus der Mauren.

- An der Costa Blanca: Enge, schattige, aber schmucklose Gassen
Die hiesigen pueblos sind nicht so hübsch anzusehen wie die auf Mallorca oder im andalusischen Hinterland. Es gibt keinen Tourismus und die Bevölkerung ist arm. Sie lebt von der Landwirtschaft: Weinbau, Mandel- und Olivenplantagen, hier und dort Getreide. Bei den Preisen, die die Erzeuger heutzutage für ihre landwirtschaftlichen Produkte bekommen, ist für Schmuck (Blumen in den Fenstern, verputzte Häuser oder gar einer neuer Anstrich) kein Geld da, denn man muss auch so schon zusehen, dass man über die Runden kommt. Die Jugend ist meistens abgewandert, sie hat keine Lust, für kargen Lohn in der Landwirtschaft zu arbeiten und bei Missernten vom Eingemachten zu leben.

- Oftmals unverputzte Fassaden

- Fast überall kultiviertes Land
Die jungen Leute wollen auch ein Auto oder zumindest ein Motorrad haben, und all die anderen Dinge, von denen jeder in diesem Alter träumt. Diese Träume können sie in ihrem Heimatdorf nicht realisieren. Die Scholle ernährt sie nicht mehr. Deshalb sind die Dörfer überaltert. Selbst 80jährige Senioren bestellen ihre Felder noch und unterstützen mit dem geringen Ertrag ihre Kinder, Enkel und Urenkel. Diese kommen gern zu Besuch, zumindest einmal im Jahr lässt es sich keiner nehmen, SEIN Dorf zu besuchen. Und dann wird eine ganze Woche lang gefeiert - zu den Patronatsfiestas ist jedes Bett im Dorf belegt. Das ist nur aufgrund des engen Familienzusammenhalts möglich.

- Dorffiesta
Die Dörfer im Hinterland leben nur in den Sommerferien. Und die sind gute zwei Monate lang. Dort geben berufstätige Eltern ihre Kinder bei den Großeltern ab und wissen sie gut versorgt. Fast jedes Dorf verfügt über ein eigenes Schwimmbad, Abwechslung genug für die Kleinen.

- Seniorentreff im Schatten der Kirche
Ihr seht, da ist nicht viel mit Romantik, aber eine große Offenheit Fremden gegenüber, wie man sie an der Küste nur noch selten findet. Die Dorfbewohner gehen freundlich auf Zugereiste und Besucher zu.
Ich befürchte, dass ihr eigentlich nicht wisst, was ich mit diesem langen Bericht ausdrücken will:
Dies soll (m)eine Liebeserklärung sein an all die Menschen, die im Hinterland leben, die herzlich, hilfsbereit auf uns zukommen. Wenn man einmal von ihnen akzeptiert wurde, hat man Freunde fürs Leben gefunden.
Profile der Dörfer im weiteren Hinterland der nördlichen Costa findet ihr
hier. Aber auch die Dörfer im Hinterland der südlichen Costa Blanca werden mit der Zeit folgen.[/b][/color]