Interne Abwertung für Spanien?

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Oliva B.
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Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von Oliva B. »

Ein interessantes Interview der FAZ-Net mit Edward Hugh, einem in Barcelona lebenden Ökonom.

Zitat:
Wir brauchen in Spanien eine Abwertung um 20 Prozent über drei Jahre. Um das zu erreichen müssen Preise und Löhne für Jahre um 6,5 Prozent fallen. Man könnte zum Beispiel die Saläre im öffentlichen Dienst und die Pensionen senken. Da jedoch kein Politiker dazu bereit ist, rutschen wir immer tiefer in die Tinte, wie das Beispiel Griechenland zeigt.

Der Mann hat es erkannt...
medusa
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von medusa »

Ja, beängstigend und noch viel schlimmer, er traut der spanischen Politik nicht zu, die Probleme in den Griff zu bekommen.

"Der Staat verwendet die geborgten Gelder um diese Angestellten zu bezahlen, die ihre Einnahmen überwiegen für Importwaren ausgeben."

Das denke ich jedes Mal, wenn ich über die Märkte gehe. Es gibt kaum noch spanische Waren. Warum diese Massen an Chinatant?
Es ist hier noch viel schlimmer, als in Deutschland. :((
Die Spanier sind doch sonst Nationalisten, wieso kann man ihnen nicht klar machen, dass sie mit ihrem Kaufverhalten der einheimischen Industrie den Todesstoss geben und die 20% Arbeitslosenquote locker übertrumpfen werden.
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Oliva B.
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von Oliva B. »

medusa hat geschrieben:Zitat:"Der Staat verwendet die geborgten Gelder um diese Angestellten zu bezahlen, die ihre Einnahmen überwiegen für Importwaren ausgeben."

Das denke ich jedes Mal, wenn ich über die Märkte gehe. Es gibt kaum noch spanische Waren. Warum diese Massen an Chinatant?
Es ist hier noch viel schlimmer, als in Deutschland. :((
Die Spanier sind doch sonst Nationalisten, wieso kann man ihnen nicht klar machen, dass sie mit ihrem Kaufverhalten der einheimischen Industrie den Todesstoss geben und die 20% Arbeitslosenquote locker übertrumpfen werden.
Der Staat verwendet nicht nur geborgte Gelder, um seine Angestellten zu bezahlen, nein, er zwingt sie auch noch dazu, als Autónomos zu arbeiten (was einer Kündigung gleich kommt). Diese Selbständigen müssen sich natürlich selbst versichern, machen jedoch dieselbe Arbeit wie zuvor, nur dass sie dafür weniger Geld bekommen und Rechnungen schreiben müssen. Wenn sie die bezahlt bekämen, wäre die Sache noch in Ordnung, denn in Krisenzeiten müssen viele den Gürtel enger schnallen. Aber sie bekommen ihr Geld nicht mehr überwiesen oder nur sehr schleppend. Ich kenne einen Fall, da wartet ein studierter Restaurator schon drei Monate auf die Zahlung seiner Rechnungen. Der Staat ist pleite.

Warum diese Massen an Chinatand? Ganz einfach: Weil die Waren günstig sind. Wer von den 20 % Arbeitslosen und den 40 % Jugendarbeitslosen kann noch die heimische Wirtschaft stützen? In dieser Situation ist sich jeder selbst der Nächste. Es werden Preise verglichen und dort gekauft, wo es billig ist. Die Frage stellt sich doch eher, warum die Chinaläden so günstig anbieten können? Es sind nicht nur die Billigwaren aus der Heimat, sondern es ist auch das Personal, sei es im Chinaladen oder im chinesischen Restaurant, die mit ihren geringen Löhnen die Waren so günstig machen. Ich bin überzeugt, dass die meisten einen 1-Euro-Job machen, nur um gemeinsam mit der ganzen Familie (einschließlich Kindern und Großeltern) das Existenzminimum zu sichern. Wie sieht es denn mit der Arbeitslosenquote der Chinesen in Spanien aus? Ich kenne keine Statistiken, schätze aber, dass sie weit unter der 20-Prozent-Grenze liegt.
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Oliva B.
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Korruption in Spanien

Beitrag von Oliva B. »

Immer neue Korruptionsskandale und immer neue Verhaftungen. Jetzt endlich kommt das ganze Ausmaß der jahrelangen Vetternwirtschaft ans Tageslicht. Der spanische Staat beschlagnahmte bis jetzt 3 Milliarden Euro aus Korruptionsgeschäften.
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kala
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von kala »

Hallo,
und trotz aller Verhaftungen ist kein Ende in Sicht. Kaum ist jemand verhaftet, wird der Posten neu besetzt und das erste was ein Spanier tut, ist seine Verwandtschaft in entsprechende Positionen zu bringen.
Das geht immer so weiter, ich denke Spanier sind so und haben deshalb auch für jeden ein gewisses Verständnis, denn er selbner würde es genauso machen.
Bei uns wird gerade eine 4 spurige Strasse nach Piles an den Strand gebaut - für die 20 Autos die da fahren, eine vollkommene Fehlinvestition, aber auch das angrenzende neue Industriegebiet wird erstellt, obwohl die beiden bereits vorhandenen zu Hälfte leer stehen (wohlgemerkt, wir haben 1800 EW und drei Industriegebiete - mit geplanter Erweiterung).
Die Spanier verbauen sich ihr schönes Land leider selber und nicht zuletzt wegen der allgemeinen Bereitschaft zur Korruption (beidseitig, geben und nehmen).
lg
kala
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El Draco
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von El Draco »

Hola,

hier wurde jetzt ja ein komplexes Thema angesprochen ;-)

Ich denke, das es für die finanziellen Probleme zumindest schon Gedankenmodelle in der Schublade gibt.
Halb öffentlich ist das ja schon vor einem Jahr angesprochen worden.
Nämlich das Spanien die Währungsunion verlässt !
Das würde bedeuten, das Spanien wieder eine eigene Währung einführt,
was in der Bevölkerung nicht gerade auf Ablehnung stossen würde.
Weiterhin würde die Geldpolitik wieder in der alleinigen Hand von Spanien liegen,
und Brüssel könnte auch nicht mehr mit Sanktionen drohen.
Damit wäre die "Staatsbank" schlagartig im Besitz von sehr hohen Eurobeständen, da die Bürger die
Euros ja gegen die neue Währung eintauschen müssten.
Diese Eurobestände könnten z.B. dazu verwendet werden bestehende Schulden zurück zu zahlen.
Weiterhin könnte Spanien seine Zinspolitik selber bestimmen.
Denkbar wäre eine 0 Zins Politik.
Das würde zwar Infaltion bedeuten, aber gegenüber dem Schreckensgespenst Deflation noch das kleinste Übel.
Innerhalb von Spanien wäre eine Inflation also zunächst nicht wirklich dramatisch.
Hätte aber gegenüber dem Ausland einige Vorteile !
Zum einen würde eine der Haupteinnahmequellen von Spanien für Ausländer billiger,
nämlich der Urlaub, was Urlaub in Spanien wieder attraktiver machen würde
und somit Arbeitsplätze sichern oder sogar neue schaffen würde.
Zum zweiten würden ausländische Produkte wieder teurer, was die Nachfrage nach inländischen Produkten
steigern würde.

Natürlich hätte dies auch Nachteile,
Importgüter (z.B. Rohstoffe) würden teurer ausserdem würde Spanien bei den Ratingagenturen schlechter eingestuft werden !
Aber, letzteres wird wahrscheinlich sowieso passieren.

Also ich denke, ein Verlassen der EWU und der Verbleib in der EU hätte für Spanien schon einen gewissen Charme !
Die Geldpolitik wieder in der eigenen Hand aber weiter Zugang zu den Fördertöpfen der EU.
Das man nicht unbedingt Mitglied der EWU sein muss um die Vorteile der EU nutzen zu können,
beweisen ja recht eindrucksvoll unter anderem Dänemark, Schweden sowie das Vereinigte Königreich.

Saludos
El Draco
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von kala »

Hallo Draco,
wenn man Deine Ausführungen liest, könnte man glatt glauben, dass Spanien keinerlei Vorteile von der EU hat. Du hast das zwar sehr umfassen zusammengefasst, dafür aber auch einseitig.

Einen einzigen Punkt möchte ich hier mal mit aufführen, der etwas untergegangen ist. Spanien ist einer der Hauptempfänger von EU Geldern der letzten Jahre schlechthin. Ich kenne kaum ein Projekt in meiner näheren und weiteren Umgebung, was nicht EU gefördert ist. Angefangen von Wanderwegen (die sicherlich nicht wichtig, aber dafür schön sind), Unmengen von Strassen und Kreisverkehren. Die Liste ist nahezu endlos.
Ich glaube, wenn es nur Vorteile für Spanien geben würde, hätten sie den Schritt schon getran.
Auch glaube ich nicht, dass irgendwas billiger wird für Urlauber. Von Angeboten von TUI ... kann ich nicht sprechen, aber die Privatvermieter gehen nicht wegen Euro oder einer anderen Währung runter. Private nehmen immer soviel wie sie bekommen können und versteuern so wenig wie es nur geht. Kurtaxe wird eh nicht gezahlt.
Die Arbeitslöhne sind inzwischen so hoch, dass auch die Inlandprodukte sehr teuer sind und welcher Arbeiter verzichtet denn auf Lohn.

Obwohl ich die Theorie aus einsprechenden anderen Foren kennen, halte ich es weder für den richtigen Weg, noch für den besseren Weg für Spanien und gleich gar nicht für den billigeren.
lg
kala
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von El Draco »

Hola Kala,

da haben wir uns wohl leider missverstanden.
Ich glaube nicht, das Spanien die EU verlässt :-?
Niemals !
Spanien ist ein Nettoempfänger der EU.
Ich habe davon gesprochen, das Spanien die Währungsunion,
also die Eurozone verlassen könnte !
Und somit die alleinige Kontrolle über seine Währung hat.

Ein Staat kann durchaus Mitglied der EU sein,
ohne der Währungsunion anzugehören.

Die EU besteht inzwischen aus 27 Mitgliedsstaaten,
aber nur 16 Staaten davon haben den Euro als Währung.

Es ging mir in erster Linie darum aufzuzeigen,
das unter bestimmten Umständen es nicht unbedingt falsch sein muss,
für einen gewissen Zeitraum eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen,
um so Wetbewerbsvorteile gegenüber den Ausland zu bekommen.
Im Fall Spanien wäre das nur mit einer Währung möglich, die nicht Euro heissen darf ;-)

Saludos
El Draco
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von medusa »

El Draco hat geschrieben:
Im Fall Spanien wäre das nur mit einer Währung möglich, die nicht Euro heissen darf ;-)
Ich glaube, wie das neue Kind heissen würde, wäre zweitranig. :mrgreen: Aber ich kann mir einen solchen Schritt Spaniens im Moment noch nicht vorstellen. Nur passieren muss etwas.
Hier sind die Vor - und Nachteile eines solchen Schrittes gut beschrieben:
http://www.wiwo.de/politik-weltwirtscha ... en-415289/
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kala
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Re: Interne Abwertung für Spanien?

Beitrag von kala »

Hallo Draco,
ja, dass kann wohl unter der Rubrik Missverständnis abgelegt werden.

Zumindest wären dann die Spanier wieder im Zugzwang, die jede Menge schwarzer Euros gebunkert haben und diese schnell noch ausgeben müssen, dass hatte ja bei den Pest auch ganz gut funktioniert. So viele grosse Autos wie da gekauft wurden, werden wohl in Spanien nie wieder auf einen schlag an den Mann gebracht. Selbst Verkäufer und Kellner fuhren bei uns hier im neuen Mercedes oder Toureg (? wird der so geschrieben) rum....

Aber ich glaube auch nicht, dass was passiert. Das Problem liegt darin, dass Spanien zu extrem auf den Bausektor setzt(e) und irgendwann einfach genügend Häuser und Wohnungen da sind. Das gleiche Problem gab es in Ostdeutschland, wo jede neu gelandete Firma Háuser gebaut und renoviert hat und 10 Jahre später stellte man -völlig überraschend- bei den Banken fest, dass sie doch zu viele Sachen finanziert haben.
Wenn es nur zB 300000 Menschen in der Stadt gibt, braucht man keine 250.000 Wohneinheiten - ist einfach so. Dort wurde das Problem gelöst in dem man die ehemaligen Neubausiedlungen gesprengt hat (teilweise natürlich nur) Das ist in Spanien nicht möglich, da die Wohnungen fast immer in einzelnen Privatbesitz sind....
Nun ja, ich bin gespannt auf die Entwicklung...
lg
kala
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