chris hat geschrieben:
Was ich viel besorgniserregender als einen Kontrollverlust finde, ist der Verlust der sozialen Kompetenzen. Ein offenes Gespräch mit einem echten, real anwesenden Mitmenschen ist bei vielen Abhängigen der angeblich "smarten" Mobiltelefone bereits jenseits aller Vorstellungkraft.
Unangenehme Dinge wie mal eben mit dem Partner Schluss zu machen, erledigt man schnell per SMS, da gibt es dann keine kompromittierenden Situationen.
Und warum am Tisch im Restaurant noch miteinander reden, wenn man doch auf Facebook und Twitter fortwährend checken muss, ob am anderen Ende der Welt nicht gerade ein flüchtiger Bekannter einen Furz hat fahren lassen und dieses einschneidende Erlebnis mit seinen 953 "Freunden" und "Followers" teilt? Wer will schon so eine Nachricht erst am nächsten Tag "liken" können, nur weil er - als es passierte - mit dem Gegenüber aus Fleisch und Blut in ein echtes, altmodisches Gespräch vertieft war? Außerdem muss man ja auf jeden Fall selbst immer ein Selfie machen, wie man grad in Borja's Bar ein Selfie von sich macht während die Speisen kalt und das Bier warm werden, damit die eigenen 766 "Freunde" das auch in Echtzeit wissen.
Mobiltelefone sind eine tolle Sache, erleichtern mir die Arbeit, erlauben mir auch unterwegs Email, Internet und Telefonie zu nutzen. In den falschen Händen aber (und davon gibt es immer mehr) sind sie ein Nagel zum Sarg unserer sozialen Strukturen, die seit Jahrtausenden Bestand hatten. Vielleicht wäre es also geradezu ein guter Dienst an dieser Gesellschaft, öfter mal jemandem beim Daddeln zu überfahren?

Hallo Chris,
ich wiederhole deine Worte noch einmal, weil ich sie wichtig finde.
Neben dem Telefonieren hat das Smartphone anderen nützlichen Funktionen wie
Terminplanung, Internetsurfen, Musikhören etc., u.a. kann man auch
Fotos damit schießen. Auch eine sehr nützliche Funktion. Man spart sich damit z.B. einen Scanner (Fahrpläne, Preisschilder im Baumarkt etc.).
Leider steht für manch einen das Fotografieren in der Wertigkeit noch vor dem eigentlichen Ereignis.
Immer wieder kann man Eltern beobachten, die das Smartphone nicht aus der Hand legen, um jede Sekunde ihres Sprösslings festzuhalten. Sie nehmen an der Entwicklung ihres Kindes durch den Sucher teil, statt sich mit ihm zu beschäftigen.
Ganz schlimm fand ich ein Wiedersehen, das ich vor einiger Zeit in der Ankunftshalle eines Flughafens beobachtet habe:
Ein Familienvater kam offensichtlich nach langer Zeit aus Übersee zurück. Die Koffer ließen darauf schließen und die übergroße Wiedersehensfreude seiner Familie - zwei Kinder und eine Frau. Der Mann betrat die Ankunftshalle und nahm seine beiden Jungs sofort auf den Arm. Der Kleinere fremdelte ein wenig, er kannte seinen Papa wohl kaum. Der Größere von beiden schlang die Arme um den Hals des Vaters und ließ seinen Tränen freien Lauf. Die Mutter, statt sich an der Begrüßung zu beteiligen, zückte ihr Smartphone und filmte ganz verzückt minutenlang die Szene, und ging dabei ganz nah an die Tränen des Jungen heran. Ihr war wichtiger, die Ankunft ihres Mannes für die Zukunft festzuhalten statt ihn....
Chris sprach den Verlust sozialer Kompetenzen schon an.
Gemeinsam allein: Manche Menschen können ihr Smartphone nicht mehr aus der Hand legen und daddeln bis der Arzt kommt, egal wo sie sind und mit wem sie zusammen sind. Warum sich noch an Gesprächen beteiligen, wenn das Smartphone zur Kommunikation reicht?
Klar, Whatsapp ist toll, um sich zwischendurch auszutauschen, doch ein Gespräch unter vier Augen ersetzt die Gratis-App sicher nicht. Hinzu kommt die ständige Verfügbarkeit. Da werden Wortschnipsel, witzige Fotos oder Videos versendet oder kommentiert. Man lässt erleben statt selbst zu erleben - denn für die eigene Freizeitgestaltung fehlt den meisten der intensiven Nutzer längst die Zeit.
Vor gut drei Jahren hatten wir schon einmal eine ähnliche Diskussion:
Veränderungen immer zum Guten? - Ich vermute, seitdem haben sich bei dem ein oder anderen die Einstellungen zum Smartphone geändert. Ich selbst schließe mich davon nicht aus.